Oldenburg/Helsinki - Eine im finnischen Hafen Kotka zufällig entdeckte deutsche Raketen-Lieferungen an Südkorea gibt derzeit der Öffentlichkeit einiges zum Rätselraten. Wie unter anderem die finnische Innenministerin Päivi Räsänen am Donnerstag mitteilte, wurden sowohl die 69 Luftabwehrraketen des US-Fabrikats "Patriot" sowie über 150 Tonnen militärischen Sprengstoffs von den finnischen Behörden vorerst beschlagnahmt. Die Fracht an Bord des unter der Flagge der britischen Insel Man fahrenden Frachters "Thor Liberty" wurde an Land gebracht und wird derzeit nach Polizeiangaben von der Armee bewacht.

Der Waffentransport war bereits in der Vorwoche von finnischen Hafenbehörden im Zuge einer Kontrolle aufgedeckt worden. Ministerin Räsänen zufolge flog der Transport auf, weil der Militärsprengstoff nicht wie vorgeschrieben in Sicherheitscontainern, sondern in Säcken zu je 25 Kilogramm verpackt war. Zudem seien die Patriot-Raketen als "Feuerwerkskörper" gekennzeichnet gewesen. Die finnische Polizei bezeichnete die Lenkwaffen in ihrer Pressemitteilung vom Donnerstag dagegen als "sachgerecht gekennzeichnet".

Die Polizei verhörte den vorerst festgenommenen Kapitän und den Steuermann des Schiffs. Gegen die beiden wird wegen mutmaßlichen Verdacht Bruchs von Waffenexport- und Sicherheitsbestimmungen ermittelt. Der Rest der ukrainischen Schiffsbesatzung wurde von den Ermittlern als Zeugen vernommen.

Über Details der Ermittlungen und das weitere Schicksal der in den USA hergestellten Raketen werde man vorläufig bis zum 30. Dezember keine Auskunft geben, hieß es in einer Mitteilung der Polizei vom Freitag. Wenige Stunden zuvor hatte das Oldenburger Hauptzollamt mitgeteilt, dass das auf der britischen Insel Isle of Man registrierte Schiff über eine deutsche Waffenexportgenehmigungen für Südkorea verfüge. "Was die Ausfuhr angeht, ist es ordnungsgemäß gelaufen", sagte ein Behördensprecher am Donnerstag.

Nach Angaben des deutschen Zolls wurde der Militärtransport vor dem Verlassen der deutschen Hoheitsgewässer zweimal kontrolliert. Die Ausfuhr von Kriegswaffen ist per Gesetz streng reglementiert. "Ausführer war das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung", sagte der Sprecher.

Der finnische Schifflotse Kaj Wikberg berichtete indes gegenüber dem Finnischen Rundfunk, dass der mit den Raketen und 150 Tonnen Sprengstoff beladene Frachter vor etwa zwei Wochen bei schwerem Sturm im südwestfinnischen Schärengebiet akut um Lotsenhilfe gebeten habe. Laut Wiberg herrschte zu diesem Zeitpunkt eine kritische Wetterlage mit Böen von um die 34 Meter pro Sekunde und bis zu neun Meter hohen Wellen.

Die ukrainische Besatzung habe in den gefährlichen, flachen Küstengewässern ohne Kartenmaterial navigiert. "Die Lage war für alle an Bord extrem. Ich weiß nicht, was sie ohne mich gemacht hätten", sagte der Lotse. Er habe Fotos von über den ganzen Rumpf verstreut liegenden Säcken mit dem Sprengstoff gesehen, sei aber sonst nur indirekt über die Last an Bord informiert worden. Laut Polizei-Aussendung bestand aufgrund der Beschaffenheit des Sprengstoffs kaum Explosionsrisiko. Inoffiziellen Berichten zufolge handelt es sich um das relativ zündungsträge aber starke Sprengmittel Nitroguandin.

Der Eigentümer des Frachtschiffes hatte sich über den Fund der Rüstungslieferung "überrascht" gezeigt. Der Geschäftsführer des dänischen Unternehmens Thorcos, Thomas Mikkelsen, sagte gegenüber der finnischen Nachrichtenagentur STT, er habe selbst von dem Vorfall bisher nichts gewusst. Ein anderer Angestellter der Firma deutete an, dass die Raketen "irrtümlich" auf das Schiff geladen worden sein könnten.

Das von den USA entwickelte Waffensystem "Patriot" dient der Abwehr von Flugzeug- und Raketenangriffen. Die Flugkörper erreichen fast vierfache Schallgeschwindigkeit. (APA/Reuters)