Insbesondere Diabetes mellitus Typ 2 wird oft erst diagnostiziert, wenn Komplikationen auftreten.

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Wien/Salzburg - Das geht hunderttausende Österreicher etwas an: die regelmäßige Kontrolle ihres Blutzuckerspiegels sowie für Diabetiker anderer und besonders gefährlicher Risikofaktoren. Doch hier gibt es Mängel. Allein fünf Prozent der Betroffenen mit langfristig deutlich erhöhten Blutzuckerwerten bekommen keine Blutzucker senkende Therapie. Das hat eine Studie des Instituts für Allgemeinmedizin der Medizinischen Privatuniversität in Salzburg ergeben.

Bei rund 600.000 Diabetikern - weltweit mehr als 250 Millionen Betroffene - und ständig steigenden Zahlen ist die Zuckerkrankheit in Österreich und international ein Volksleiden. Alle acht Sekunden, so wurde errechnet, erliegt weltweit ein Betroffener der Krankheit oder einer Komplikation, speziell akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder chronischem Nierenversagen. Erblindung, quälende Nervenschmerzen (diabetische Polyneuropathie, Anm. Red.) und Amputationen sind gefürchtet.

Späte Diagnose

Das Problem liegt vor allem bei den Typ-2-Diabetikern, die erst im Erwachsenenalter - langsam und schleichend - zuckerkrank werden. Oft wird die Krankheit erst diagnostiziert, wenn die ersten Komplikationen auftreten. Eine langfristige Kontrolle der Blutzuckerspiegel und ihre Reduktion auf akzeptable Werte sowie die Senkung eines oft erhöhten Blutdrucks, erhöhter Blutfettwerte und eine allfällige Infarktprophylaxe (Blutgerinnungshemmung, Anm. Red.) sind die wichtigsten medizinischen Maßnahmen. Doch oft klappt das nicht.

Maria Flamm von dem Salzburger Institut und die Co-Autoren versuchten, die Qualität der Versorgung österreichischer Typ-2-Diabetiker (primär nicht insulinpflichtiger Diabetes, ehemals "Altersdiabetes") zu bestimmen, und zwar zum Zeitpunkt der von den Betroffenen gewollten Aufnahme in das seit einiger Zeit von den Krankenkassen propagierte, aber längst nicht von allen Allgemeinmedizinern angebotene "Disease Management Programm Therapie aktiv". Es soll durch mehr Kooperation zwischen Patient und Arzt, einer besseren Schulung etc. die Therapie verbessern.

In Salzburg nahmen im Rahmen der Studie, die jetzt in der Wiener Klinischen Wochenschrift veröffentlicht wurde, 92 Ärzte mit 1.489 Diabetikern teil. Das durchschnittliche Alter betrug 65 Jahre. 47,8 Prozent der Patienten waren Frauen. Schon die Ausgangslage zeigte kein absolut positives Bild. Die Autoren. "24,3 Prozent aller Patienten (28,3 Prozent der Männer und 20,1 Prozent der Frauen) hatten mindestens eine diabetesassoziierte Spätkomplikation. (...) 80,7 Prozent der Patienten standen unter Medikation mit oralen Antidiabetika, Insulin oder eine Kombination von beiden.

Langzeitzucker erhöht

Doch trotz einer "leitliniengerechten Behandlung" eines Großteils der Betroffenen gab es deutliche Defizite: "Hinsichtlich der Versorgungsqualität fanden sich fünf Prozent aller Patienten mit einem HbA1c-Wert (Langzeitzucker, Anm. Red.) über 7,5 Prozent gänzlich ohne antidiabetische Medikation." Empfohlen werden HbA1c-Werte für Zuckerkranke von etwa 6,5 Prozent. Der Laborwert gibt einen Hinweis darauf, wie gut die Blutzuckereinstellung in den vorangegangenen drei Monaten in etwa war.

Freilich, auch bei den wichtigsten Risikofaktoren sind Zuckerkranke laut der wissenschaftlichen Untersuchung offenbar bei Eintritt in das intensivere Betreuungsprogramm oft nicht optimal versorgt. Die Autoren: "15,3 Prozent der Studienpopulation mit erhöhten Blutdruckwerten hatten keine antihypertensive Therapie und 36,6 Prozent der Studienteilnehmer mit manifester (bereits vorhandener, Anm.) kardiovaskulärer Erkrankung standen nicht unter Therapie mit Statinen (zur Senkung der Cholesterinwerte, Anm.)." Diese beiden Umstände sind besonders bedenklich, da Diabetiker zum überwiegendsten Teil nicht an ihrer Grunderkrankung, sondern vor allem an dadurch begünstigten Herz-Kreislauf-Leiden sterben. (APA)