Detail aus einer Collage von Corina Vetsch.

Foto: Kunsthalle /Schöne

Wien - So ein riesiger Gemütlichkeitsknoten zum Daraufherumklettern und Hineinkrabbeln, wie ihn sich einer der Protagonisten aktuell in René Polleschs Die Liebe zum Nochniedagewesenen wünscht und der dann auf der Akademietheaterbühne in Form eines drolligen gelben, luftgefüllten Pneu-Monsters Gestalt annahm, ist es nicht. Sophie Hirschs skulpturaler Knoten aus dicken Tauen und allerlei Plastikfolien ist viel bedrohlicher, unauflöslicher, eher würgend geraten.

Was die Arbeit von Sophie Hirsch (geb. 1986 in Wien) im Project Space der Kunsthalle Wien allerdings mit Bert Neumanns zentralem Bühnenbild-Utensil verbindet, ist die Unmöglichkeit, die Situation zu überwinden: Im einen Fall verworrene, verknotete Kommunikationsversuche zugunsten von tatsächlicher zwischenmenschlicher Verständigung aufzulösen, im anderen Lösungen für soziopolitische ökologische Probleme zu finden. Denn Hirschs pessimistisch von der Decke baumelnder Knoten sieht dem, was an den Meeren dieser Welt an Müll angeschwemmt wird, verdammt ähnlich.

Ein Knoten ist auch das Verbindungsstück zu Corina Vetsch (geb. 1973 in St. Gallen), der zweiten Preisträgerin des Preises der Kunsthalle Wien: Vetschs Knoten, der in einer ihrer ungerahmten, frei im Raum aufgespannten Leinwände hineinhängt, ist eher ein gordischer Knoten. Nur Alexander gelang es, die kunstvoll verknoteten Seile zu zerschlagen. Ein Sinnbild also für die Überwindung eines schweren Problems mit energischen Mitteln (Schwerthieb!) oder nur eine "Tarzan-Liane", die laut der Künstlerin selbst Ausweg und Rettung verspricht.

Vetschs Bilder geben aber auch nur eine laue Hoffnung auf Erlösung, auf Eutopie (Kurator Lucas Gehrmann: "der optimistischeren Schwester der Utopie"): Auf den atmosphärisch grundierten Leinwänden mit urbanen Versatzstücken oder einem letzten Einhorn finden sich Diagramme, die Ergüsse aus der Zukunftsforschung, etwa zur Verteilungspolitik, beackern. Darübercollagiert sind Gedanken zum Netzwerkwahnsinn von facebookenden Ich-AGs und Headlines aus Zeitungen wie "Der böse Keim steckt im System", "Unsere Zukunft ist nicht euer Spiel" und dem Marie Antoinette'schen "Lasst sie Kuchen essen". Projektions-, Reflexionsräume und emotionale Räume tun sich hier zwar auf, sind aber nicht mehr als ein trauriger Nebel: Ein von einem Schnurrbart untermaltes Diagramm charakterisiert Vetschs unausgegorenes Sammelsurium aus unzusammenhängenden Utopiebröckchen der Bobo-Betroffenheitsgeneration: "Diffuse Unzufriedenheit" steht dort.  (Anne Katrin Feßler  / DER STANDARD, Printausgabe, 23.12.2011)