Einem Forschungsteam unter Leitung der Zellbiologin Barbara Kaltschmidt von der Universität Bielefeld ist es gelungen, Stammzellen aus der menschlichen Nase zu kultivieren und in Nerven-, Knochen-, Fett- und Knorpelzellen umzuwandeln. Laut den Forschern ist ein Vorteil der Methode, dass in kurzer Zeit große Mengen von Zellen hergestellt werden können. Die Methode kann neue Behandlungen von akuten und chronischen Verletzungen im Gesicht ermöglichen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt in den Fachzeitschriften „Stem Cells and Development" und „European Cells & Materials" veröffentlicht.

Stammzellen gelten als Alleskönner unter den Zellen. Während die meisten Zellen des Körpers eine spezielle Aufgabe haben - etwa Hautzellen, die den Körper vor schädlichen Einflüssen von außen schützen - sind Stammzellen nicht spezialisiert: Sie sind Ursprungszellen, aus denen Haut, Nerven oder auch Knochen entstehen können. Außerdem dienen sie dazu, im Fall von Verletzungen und Erkrankungen beschädigte Zellen zu reparieren. Die Stammzellen, die die Forscher für ihre neue Methode nutzen, werden als adulte Stammzellen bezeichnet - das sind die Zellen, die sich nach der Geburt im menschlichen Organismus befinden. Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen, die aus menschlichen Föten gewonnen werden müssen, gelten adulte Stammzellen bei Forschern als ethisch unbedenklich.

Leicht zugängliche Nasenmuschel

Das Forschungsteam unter Leitung von Barbara Kaltschmidt arbeitet mit Stammzellen aus der unteren Nasenmuschel. Damit sind diese Stammzellen sehr leicht zugänglich. Eine weitere Besonderheit: Sie können bis ins hohe Alter von Patienten isoliert und dazu angeregt werden, zu spezialisierten Zellen zu werden.

Mit der neuen Methode eröffnen sich den Wissenschaftlern zufolge neue Chancen für Behandlungen von Verletzungen und Krankheiten. So könnten die Stammzellen in der Chirurgie genutzt werden, um nach Verbrennungen oder Schnittverletzungen ein Gesicht mit neu kultivierten Haut-, Knochen- und Nervenzellen wieder herzustellen. Auch könnten die Stammzellen zukünftig eingesetzt werden, um Nervenkrankheiten wie Parkinson und Alzheimer zu behandeln. Die Wissenschaftler verwenden für die Vermehrung der Stammzellen Blutplasma von Menschen und verzichten auf tierische Zusatzstoffe. Bei der Behandlung eines Patienten, wenn etwa neue Haut auf ein Gesicht aufgebracht werden soll, können so patienteneigene Stammzellen in eigenem Blutplasma kultiviert werden. Das hat den Vorteil, dass der Körper das neue Gewebe nicht abstößt. Hinzu kommt, dass durch die Verwendung des Blutplasmas eine dreidimensionale Matrix entsteht, welche die ursprüngliche Nische der Stammzellen nachahmt.

In weiteren Studien wollen die Forscher untersuchen, wie sich die adulten Stammzellen aus der Nase so „umprogrammieren" lassen, dass sie noch plastischer werden. So sollen die Anwendungsmöglichkeiten für medizinische Zwecke vergrößert werden. (red)