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Foto: Reuters/Pfaffenbach

Wochenlang haben europäische Politiker und Banker darauf gewartet, dass die Europäische Zentralbank wie die Kavallerie in amerikanischen Westernfilmen zur Rettung hochverschuldeter Eurostaaten hereinreitet und damit den befürchteten Zerfall der Gemeinschaftswährung abwendet. hereinreitet. Doch EZB-Präsident Mario Draghi zierte sich und ließ die Spannung von Tag zu Tag steigen.

Vergangene Woche tauchten die Truppen der EZB doch noch auch – doch anders als erwartet. Statt einer offenen Zusage zum Kauf von Staatsanleihen, die viele gefordert hatten, gewährte die EZB den Banken unbegrenzten Kredit – auf drei Jahre zu einem Mini-Zinssatz von ein Prozent.

Und die Banken griffen beherzt zu – fast 500 Milliarden Euro wurden zu den neuen Konditionen in den ausgetrockneten Kreditmarkt gepumpt, 190 Milliarden Euro davon in wirklich frischem Geld (der Rest bestand aus einer Umwandlung von kurzfristigen Krediten).

 Für die Banken war das ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Sie können nun billigst Geld ausleihen und deutlich teurer verborgen. Die dadurch steigenden Gewinnmargen sollten ihnen helfen, in den kommenden Monaten ihr Eigenkapital auf jenes Niveau zu bringen, das von der Europäischen Bankenaufsicht verlangt wird.

Aber auch die Staaten haben Grund zur Hoffnung.  Denn für die EZB-Kredite müssen die Banken Sicherheiten hinterlegen, etwa Staatsanleihen. Und das um ein Prozent geborgte Geld können sie wieder in die Euro-Staatsanleihen investieren, die derzeit bis zu sieben Prozent bringen, und diese wieder hinterlegen, etc.

Deshalb sehen viele Experten hinter der EZB-Aktion eine versteckte Finanzierung von Staatsschulden – genau das, was Draghi auch aus Rücksicht auf den massiven Widerstand aus Deutschland dezidiert ausgeschlossen hatte.

Hat die EZB hier das getan, was so viele gefordert und vor dem andere gewarnt hatten – den unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen eröffnet, aber durch einen Zwischenhändler, um den Schein zu bewahren? Und wird dieser Schritt den Euro retten oder ihn langfristig seiner Stabilität berauben? Oder erweist sich der Schritt als weitere halbherzige Maßnahme, die Eurostaaten und Märkte weiter zappeln lässt?

Die Antwort steht noch aus. Aber insgesamt erscheint die Aktion wie ein sehr kluger Schachzug.  Ja, es ist eine kaum verhohlene Ankaufgarantie für Staatsanleihen – aber eine, die den Staaten dennoch nicht aus der Pflicht entlässt, ihre Hausaufgaben weiter zu machen.

Denn die Banken können sich aussuchen, von welchen Staaten sie Anleihen kaufen. Verliert einer von ihnen an Glaubwürdigkeit, weil etwa die Sparbemühungen nachlassen, dann werden wohl auch die Renditen wieder steigen. Das ist bereits geschehen – Spanien hat vergangene Woche wieder viel weniger für neue Kredite zahlen müssen als Italien.

Der EZB fällt eine solche Differenzierung viel schwerer, weil sie durch eine Absage an gewisse Staaten diese der Insolvenz näher bringen und eine heftige politische Reaktion auslösen würde. Viel klüger, die Disziplinierung der Politik den Banken und damit dem Markt zu überlassen.

Und gleichzeitig hält sich die EZB an den Wortlaut und den Geist der Verträge. Sie finanziert keine Staaten, was sie nicht darf, sondern Banken, was ihr Kernauftrag ist. Dass dies der Plan war, sieht man daran, dass die Notenbank den selektiven Ankauf von Staatsanleihen gleichzeitig eingestellt hat.

Das wichtige ist, dass die Kreditklemme, die zuletzt Schuldnerstaaten, Banken und in Folge auch Unternehmen im Euroraum gedroht hat, dadurch abgewendet ist. Der Geldhahn ist für drei Jahre geöffnet – Zeit genug, um die Schieflage im europäischen Finanzsektor zu überwinden.

Die Reaktionen unter Experten und Anlegern waren allerdings verhalten. Die Anleiherenditen für Schuldnerstaaten sind nur wenig gesunken. Die einen sehen in der Aktion ein Hütchenspiel, das letztlich zu steigender Inflation führen wird, die anderen befürchten, dass die Schuldenkrise damit nicht gelöst wird, weil die Banken weiterhin zögern werden, Staatsanleihen zu kaufen.

Aber irgendwem müssen sie das Geld ja borgen. Und wenn es statt in die Staatsfinanzierung in die Realwirtschaft fließt, ist das auch kein Fehler – im Gegenteil. Denn das treibt das Wachstum an hilft damit auch, die Schuldenproblematik zu mildern.

Und die Inflationsgefahr? Drei Jahre sind eine lange Zeit, aber die EZB hat weiterhin Möglichkeiten, den Märkten wieder Liquidität zu entziehen, wenn sich etwa neue Blasen zu bilden drohen. Und angesichts der schlechten Konjunkturaussichten und der Sparpolitik in allen Eurostaaten ist die Gefahr eines inflationären Schubs bis Ende 2014 nicht sehr hoch.

Noch ist die Eurozone nicht gerettet, noch kann vieles schiefgehen. Aber angesichts der schwierigen Umstände hat Draghi wahrscheinlich die beste Lösung gewählt – und dabei diplomatisches Geschick, Klugheit und auch eine Art von Bauernschläue bewiesen, die seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet gefehlt hat. Das gibt Hoffnung für das kommende Jahr.