Die Anglisierung der deutschen Sprache wird vielfach beobachtet und oft auch als Überfremdung kritisiert. Als Beispiel für diese Entwicklung können die Jugendwörter des Jahres 2011 angeführt werden, die aus dem englischen Sprachraum stammen: "Liken" für "Gefällt mir" in Österreich oder "Swag" für eine beneidenswert coole und lässige Art in Deutschland. Oder auch: Wir fahren mit dem Bike und kaufen Outdoor-Bekleidung. "Seit dem Zweiten Weltkrieg nimmt der angloamerikanische Einfluss zu", stellt auch Universitätsprofessorin Damaris Nübling vom Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) fest.

Ein vielfach angenommener Anglizismus ist aber gar keiner: die Pluralbildung auf "s" - also zum Beispiel CDs, DVDs und Unis. "Der s-Plural kommt zuerst bei 'die Müllers' oder 'die Schmidts' vor, lange bevor wir englische Wörter überhaupt entlehnen", so die Mainzer Sprachhistorikerin. Ein schönes Beispiel für einen frühen s-Plural, der ganz bestimmt nicht aus dem Englischen stammt, sind die "Buddenbrooks" von Thomas Mann. Nüblings historischen Untersuchungen zufolge ist die Mehrzahlbildung mit "s" im 17./18. Jahrhundert aufgekommen, und zwar zuerst bei den Familiennamen und wenig später bei den Ruf- und den Ortsnamen. Sie geht auf die Genitiv-Endung "s" zurück: Müllers Familie oder Meiers Leute. Durch eine Umdeutung entstand aus dem Genitiv-Singular-s im Laufe der Zeit das Plural-s.

Hintergrund

"Der Sinn ist, dass der Name geschont wird", erläutert Damaris Nübling. "Ein Name soll sich so wenig wie möglich verändern." Dies gelingt am ehesten durch die Nachsilbe "s", die das Wort konstant hält und nicht so stark verformt wie andere Endungen. Erst wenn das Wort bekannt genug sei, werde "s" durch "en" ersetzt - und wir sprechen von Pizzen (statt zuvor Pizzas) und Konten (statt Kontos), so die Forscherin.

Die Linguistin weist zudem darauf hin, dass die Verwendung von Anglizismen auch ihre Berechtigung hat: Wenn wir einen neuen Gegenstand wie zum Beispiel den Computer aus dem Ausland übernehmen, dann übernehmen wir mit der Sache selbst auch ihre Bezeichnung. Und: "Es gibt einen Bedarf für englische Ausdrücke, aber ihr Einfluss auf die deutsche Sprache wird gemeinhin überschätzt", ist Nübling überzeugt. (red)