Post aus dem Innenministerium: Diese Zahlungsaufforderung erhalten seit neuestem Menschen, die schriftlich gegen Abschiebungen protestieren und die Behörde ersuchen, Fälle noch einmal zu prüfen.

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Wien - Nicht jeder in Österreich heißt die Abschiebung unerwünschter "Fremder" automatisch gut. Handelt es sich bei den betreffenden Ausländern um Menschen mit einem besonders schweren Schicksal, formiert sich regelmäßig Protest gegen die von Asylbehörden und Fremdenpolizei betriebene Zwangsausreise.

Das drückt sich oft in Form von Briefen ans Innen- und Außenministerium, an Bundeskanzler und Staatssekretär für Integration aus - in der Hoffnung, diese zu einer weiteren Überprüfung des Falles zu bewegen. Briefe, auf die manchmal eine freundliche, zuweilen eine schroffe - und hin und wieder auch gar keine - Antwort kommt.

Aber noch nie, soweit erinnerlich, gab es eine Reaktion wie unlängst aus dem Innenministerium, Abteilung III/3, Fremden- polizei und Grenzkontrolle, auf briefliche Einwände gegen die Abschiebung der tschetschenischen Familie Idigov: Schwer traumatisierter Menschen, die dennoch nach Tschetschenien zurückgeschickt werden sollten.

"Ich fordere Sie auf, sich mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einzusetzen, dass die Familie in Österreich bleiben kann", stand auf dem Protestbriefvordruck im Internet, den unter vielen anderen die Journalistin und Autorin Susanne Scholl sowie die Lektorin Afra Margaretha unterzeichneten und an die verantwortlichen Politiker schickten. Doch dieses Begehr kam im Innenministerium nicht gut an.

"Aus Gründen des Datenschutzes ist es rechtlich leider nicht zulässig, zu einem konkreten Einzelfall Auskünfte zu erteilen", lautete die abweisende, von Abteilungsleiter Gerhard Reischer unterzeichnete Antwort. Und außerdem: "Hinzuweisen ist, dass Ihr Schreiben eine Eingabe von Privatpersonen im Sinne des § 14 Tarifpost 6 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 idgF darstellt", antworteten die ministeriellen Hüter des Fremdenpolizeiwesens.

Deshalb: "Solche Eingaben sind gemäß den Bestimmungen des Gebührengesetzes mit 14,30 Euro zu vergebühren." Und: Die 14,30 Euro seien "innerhalb von zwei Wochen" auf ein Innenministeriumskonto einzuzahlen.

"Ich war völlig baff", schildert Margaretha ihr Leseerlebnis nach Öffnen des offiziösen Briefes. Dann sei ihr Erstaunen reinem Ärger gewichen: "Das kann doch wohl nicht wahr sein: Das Ministerium wird von Steuergeldern, also auch von mir, bezahlt." Die Behördenschreiben könnten als Abschreckaktion gegen Protestschreiben gedacht sein, vermutet Scholl, die eine Rückmeldung gleichen Wortlauts erhielt. Sie hat es mehreren Kabarettisten zukommen lassen. Zur Inspiration.

Im Innenministerium versteht ein Sprecher den Ärger nicht: "Das Gebührengesetz als Grundlage für derlei Zahlungsaufforderungen gibt es seit 1957. Seit damals sind derlei Eingaben kostenpflichtig." Real zumindest bisher nicht, halten dem die Protestbrief-erfahrenen Scholl und Margaretha entgegen.

Und auch im Außenministerium teilt ein Sprecher mit, dass derlei Eingaben in der Regel "trotz Gebührengesetz" höflich und gratis beantwortet würden: "Wir erhalten von Bürgern in der Folge immer wieder Dankschreiben."(Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2011)