Unbehagen greift um sich - ein Unbehagen, das laut über den Verfall der Demokratie, die Degeneration der politischen Klasse, verschwindende Solidarität, mangelnde Gerechtigkeit und sinkende Lebensqualität klagt. Das zu Empörung und politischem Engagement aufruft. Das zum Zorn sich steigert und die Menschen auf die Straßen treibt. Der Virus der Revolution geht um, daran kann kein Zweifel sein. Nicht ob, wann uns das Fieber packt, ist die Frage.

Gefühl triumphiert über Verstand

Erst kürzlich hat dies der Kabarettist Roland Düringer wieder unter Beweis gestellt. Nicht umsonst hat seine ambivalente Darstellung des Wutbürgers für Aufsehen gesorgt: Zum ersten, weil er wahrscheinlich vielen von uns aus dem Herzen gesprochen hat. Zum zweiten, weil er damit auf ein ungeheures Echo gestoßen ist, an dem klar wird, dass er den Nerv der Zeit getroffen hat. Und zum dritten, weil er gezeigt hat, wie verführerisch die Massen sind, dass bald Gefühl über Verstand triumphiert. Wer ist nicht erschrocken, wie es gegen Ende das Publikum (inszeniert?) von den Stühlen hoch reißt und es zum Chor der Wütenden sich vereinigt. Wohlgemerkt ein - davon kann man ausgehen - mehrheitlich gebildetes und linksgerichtetes Publikum. Ja, vielleicht hat man sich ja sogar selbst beschämt dabei erwischt, wie man, die Faust in der Höhe, schon mit einstimmen wollte.

Die Wut hat kein Ziel ...

Uns sollte bewusst werden, wie zum Zerreißen gespannt die Stimmung in Wirklichkeit ist. Gefährlich daran ist, dass sich die Wut undifferenziert gegen ein abstraktes Gegenüber richtet - gegen "die da oben", die Politik, die Wirtschaft, das (kapitalistische) System. Anders als in den protestgeschüttelten Staaten des arabischen Frühlings kann sich der Zorn bei uns nicht im Aufbegehren gegen eine autoritäre Macht und der Elimination der herrschenden Klasse abreagieren. Unserem Unbehagen fehlt das klare Ziel.
... drum sucht sie sich eins

Dies liegt freilich auch daran, dass in unserem politischen System, das gut ist und im Grunde funktioniert, die Korrekturen im Detail erfolgen müssen, diffizil sind und viel Wissen, Geduld und Mühe erfordern. Keine Aufgabe für blinde Wut also. Aber eben dies droht den Frust nur zu erhöhen, die Ohnmacht nur zu steigern. Und so macht das fehlende Ziel dafür anfällig, sich eines zu suchen - die Reichen, die Ausländer, die Roma, die Juden oder sonst wen, der nicht passt. Oder aber gleich das System, die Demokratie, für obsolet zu erklären. Ein Glück, dass unsere Politiker noch zu anständig sind oder ihnen einfach nur das populistische Talent dafür fehlt, den Frust in Hass und bare Wählermünze umzuwandeln. Vertrauen sollte man darauf nicht.

Die Zerschlagung des Knotens: In die Parteien!

Der Ratschläge, Aufrufe und Warnungen gibt es genug. Schmerzlich vermisst man jedoch den einen: Sich in die politischen Parteien zu begeben, also dorthin, wo die Pläne geschmiedet, die Führer erkoren, die Interessen vertreten und die Zukunft entschieden wird. Das Engagement in einer Partei hätte drei Vorteile: Es würde die Demokratie stärken, es würde zur Beschleunigung des Wandels beitragen und es würde die Wut in produktive Tätigkeit umwandeln. Doch wer sollte dies machen? Zu schlecht ist der Ruf der Parteien, zu miserabel das Ansehen der Politiker, zu undankbar ihr Job, als dass sich dies noch jemand antun will. Doch genau hier liegt der Knoten des Teufelskreises, den es zu zerschlagen gilt: Schlechter Ruf, mieses Ansehen und schlimme Arbeit schreckt die (guten) Leute ab. Dies wiederum verschlechtert den Ruf, das Ansehen und die Arbeit, was wieder die Leute verschreckt usw. Darum, auch wenn es schwer fällt: Auf, in die Parteien! Ausreden zählen nicht, es steht zu viel auf dem Spiel. (Michael Zichy, derStandard.at, )