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Vjekoslav Bevanda, der Kroate aus Mostar, soll neuer Premier von Bosnien-Herzegowina werden.

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Sarajevo/Wien - Kurz vor Jahresende einigten sich die sechs bosnischen Parteichefs nun auf ein Budget für das Jahr 2012, auf zwei von der internationalen Gemeinschaft eingeforderte Gesetze und - auf eine neue Regierung. Bosnien-Herzegowina ist seit den Wahlen im Oktober 2010 ohne gesamtstaatliche Führung. Wenig überraschend wird die HDZ, die führende Partei der bosnischen Kroaten, den Premierminister stellen. Sie schlug am Donnerstag den Ökonomen Vjekoslav Bevanda aus Mostar für das Amt vor.

Der 55-jährige Banker war zwischen 2008 und 2010 bereits Finanzminister des größeren von zwei Landesteilen von Bosnien-Herzegowina, der Föderation. Die HDZ hatte den Posten des Premiers nach der Wahl für sich beansprucht, auch wenn sie im gesamtstaatlichen Parlament nur mit drei von 42 Abgeordneten vertreten ist. Allerdings fühlte sich die HDZ bei der Regierungsbildung in der Föderation im Vorjahr benachteiligt und hat seit Ende des Kriegs 1995 noch niemals den Premier in der gesamtstaatlichen Regierung gestellt.

Dodik unterstützte Kroaten

Die HDZ war außerdem vom mächtigen Präsidenten des zweiten Landesteils, der Republika Srpska, Milorad Dodik unterstützt worden. "Niemand hat alles bekommen", sagte Dodik nach der Einigung. Dodik, der Chef der serbisch-nationalen Partei SNSD, galt schon lange als Königsmacher für die Kroaten. Die SNSD selbst wird bosnischen Medien zufolge neben drei von zehn Ministerin (u. a. Finanzen und Außenhandel) auch den Direktorposten für die wichtige Ermittlungs- und Sicherheitsagentur (Sipa) und die Regulierungsbehörde für das Kommunikationswesen (Rak) besetzen.

Am Mittwoch, am selben Tag, als man sich darauf einigte, stellte die Staatsanwaltschaft nach zwei Jahren ihre Ermittlungen gegen Dodik wegen Finanzmachenschaften ein. Die Strafanzeige gegen Dodik war im Februar 2009 von der Sipa eingereicht worden. Die Bosniaken werden das Verteidigungs-, Außen-, das Innen- und das Verkehrsministerium besetzen. Im Vorfeld der Regierungsbildung war es auch zu einer Einigung zwischen den Wahlsiegern, der Sozialdemokratischen Partei (SDP) und der HDZ gekommen. Die SDP erhebt als multiethnische Partei auch den Anspruch, Kroaten zu vertreteten. Die HDZ wollte den Alleinvertretungsanspruch für die Kroaten aber nicht aufgeben. Geeinigt hat man sich nun auch auf ein Gesetz zur Staatshilfe und zur Abhaltung einer Volkszählung, die die EU eingefordert hatte. Brüssel begrüßte die Entwicklung in Bosnien-Herzegowina. Analysten wie Sreèko Latal von der International Crisis Group, sehen allerdings in dem jüngsten Deal noch keine Lösung für die Dauerkrise.

"Das eine ist die Einigung, das andere die Umsetzung", warnt Latal. Das Wichtigste sei ohnehin die Einigung auf das Budget. "Ohne Budget wären im Jänner keine Gehälter und Stromrechnungen mehr bezahlt worden." Insgesamt zeige das Abkommen einmal mehr das unverantwortliche Verhalten der lokalen Politiker, die sich seit Jahren nur im letzten Moment auf etwas einigen würden. Auch im Vorjahr wurde das Budget am 31. Dezember beschlossen. "Die Krise wurde wieder nur verschoben", sagt Latal. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD-Printausgabe, 30.12.2011)