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Kurt Moosburger (51) ist Facharzt für Innere Medizin, Sport- und Ernährungsmediziner in Tirol. Er arbeitet im Krankenhaus Hall und betreibt eine Wahlarztpraxis in Hall in Tirol.

Foto: APA-OTS/Robert Strasser

 

STANDARD: Heilfasten und Entschlackungskuren stehen schon seit Jahren hoch im Kurs. Sie sollen den Körper entgiften. Aber welchen gesundheitlichen Nutzen haben solche Kuren tatsächlich?

Moosburger:  Gar keinen. Sie haben sogar eher gesundheitliche Nachteile. Fasten ist Raubbau am eigenen Körper. Sie induzieren damit einen Hungerstoffwechsel, bei dem nicht nur Fett, sondern auch Muskelprotein abgebaut wird. Dieser Muskelmasse-Abbau ist vor allem in der ersten Woche des Fastens enorm. Man frisst sich also quasi selbst auf. Das ist völlig grotesk. Und was die Schlackenstoffe betrifft: Solche gibt es in Hochöfen, aber nicht im menschlichen Körper. Wenn die Nieren des Menschen und seine Leber in Ordnung sind, werden wir täglich von selbst entgiftet. Darüber braucht man sich keine Gedanken zu machen.

STANDARD: Manche Experten meinen allerdings, der menschliche Körper sei evolutionär gar nicht auf tägliche Nahrungsaufnahme oder gar mehrere Mahlzeiten am Tag eingestellt. Regelmäßiges Fasten sei natürlich und könne deshalb nicht schaden, glauben sie.

Moosburger: Die Häufigkeit der Nahrungsaufnahme spielt diesbezüglich keine Rolle, vielmehr die Energiemenge, die zugeführt wird. Was allerdings wichtig ist: Unser Stoffwechsel ist an Allesessen angepasst. Genau das sollte man auch tun. Der Urmensch hat bestimmt mal mehr, mal weniger gegessen, aber wenn er konnte, jeden Tag. Hatte er ein Mammut erlegt, dann aß er tagelang Fleisch, und danach Beeren und Wurzeln. Unsere heutigen Verdauungsprobleme sind häufig hausgemacht, weil die Leute beginnen, sich einseitig zu ernähren. Sie schließen bestimmte Nahrungsmittel aus. Das ist ein Fehler. Das einzige Verbot in der Ernährung ist, Verbote auszusprechen.

STANDARD: Weshalb ist dann aber der Glaube an die Entschlackung so weit verbreitet?

Moosburger: Weil viele Mediziner anscheinend vergessen haben, was sie auf der Universität in Physiologie und Biochemie gelernt haben. Aber es hat natürlich auch einen pekuniären Hintergrund. Mit der Verunsicherung der Menschen kann man Geld verdienen. Die Ernährung ist für manche schon zu einer Ersatzreligion geworden, Gurus finden ihre Jünger.

STANDARD: Gibt es denn keinerlei positive Aspekte des Heilfastens?

Moosburger:  Nein. Der Begriff "Heil" ist in diesem Fall völlig fehl am Platz.

STANDARD: Welchen Menschen würden Sie besonders eindringlich vom Fasten abraten?

Moosburger:  Vor allem älteren Personen ab 70, die ohnehin oft zu wenig essen beziehungsweise sich mangelhaft ernähren, und natürlich allen Patienten mit chronischen Krankheiten.

STANDARD: Manche Ernährungsberater warnen immer wieder vor der Gefahr einer Übersäuerung des Körpers. Dagegen sollen spezielle Basendiäten helfen. Was hat es damit auf sich?

Moosburger:  Wenn sich jemand als Ernährungsberater bezeichnet, weiß man schon über seine fachlichen Qualifikationen Bescheid. Eine Übersäuerung kann es im Normalfall gar nicht geben, weil der Körper selbst für einen ausgeglichenen Säuren-Basen-Haushalt sorgt. Ausnahmen gibt es nur bei schweren Nierenkrankheiten oder einem entgleisten Typ-1-Diabetes. Den pH-Wert des Organismus kann man über die Nahrung nicht beeinflussen. Nicht einmal, wenn man sich extrem eiweißlastig ernährt, würde es einem Menschen gelingen, eine metabolische Azidose (Übersäuerung des Blutes, Anm.) auszulösen. Denn die Säureausscheidungskapazität der Nieren ist um ein Vielfaches höher. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Printausgabe, 02.01.2012)