Bild nicht mehr verfügbar.

Alfred Wegener, vom Polarforscher zum "Kopernikus der Geowissenschaften"

Foto: APA/AWI dpa/lni

Bremerhaven – Vom Untergang der "Titanic" bis zur Entdeckung der Nofretete-Büste gibt es so einige Ereignisse, deren 100. Jahrestag 2012 begangen wird. Ein aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessantes Ereignis fand am 6. Jänner 1912 statt: Damals präsentierte der Berliner Polarforscher und Geowissenschafter Alfred Wegener in einem Vortrag in Frankfurt am Main wissenschaftlichen Kollegen seine Theorie der Kontinentaldrift.

Die Theorie

Dass sich die Teile der Erdkruste im Lauf der Zeit horizontal bewegt haben dürften, ist eine Idee, die bis ins späte 16. Jahrhundert zurück reicht. Vor allem der auffällige Umstand, dass die Ostküste Südamerikas und die Westküste Afrikas wie zwei Puzzlestücke zusammenpassen, hat zu derlei Überlegungen geführt, seit es realistische Karten gab. Wegener entwickelte daraus ab 1910 eine systematische Theorie: Es müsse eine Art Urkontinent gegeben haben, der auseinandergebrochen ist und dessen Teile sich über den Globus bis zu ihrer aktuellen Lage verschoben haben. Heute weiß man, dass die Kontinente sich seit Milliarden Jahren mehrfach getrennt und wieder zu einem einzigen Superkontinent zusammengefügt haben. Ob es jemals einen "Urkontinent" gegeben hat, lässt sich nicht mehr rekonstruieren – Wegeners Theorie sollte sich dennoch in ihren Grundzügen als richtig und bahnbrechend für die Wissenschaft erweisen.

... auch wenn es zunächst nicht so aussah: Die Reaktionen auf die Thesen des damals 31 Jahre Wegener waren ablehnend. Manche Professoren, die an der damals gültigen Lehre der unveränderlichen Lage der Kontinente festhalten wollten, verspotteten Wegener. Er suchte in den folgenden Jahren intensiv nach Beweisen für seine Theorie. "Alfred Wegener hatte damals eigentlich gar keine Chance, seine Hypothese zu beweisen, weil man die Technologie noch nicht hatte", sagt der Geophysiker Wilfried Jokat vom Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven in einem vom Institut veröffentlichten Interview.

Spott und Ablehnung kränkten Wegener nach Überzeugung des Wissenschaftshistorikers Reinhard Krause aber wenig. Im Gegenteil, sie spornten ihn an. "Er war von vorn herein felsenfest überzeugt davon, dass seine Theorie richtig ist – und er hat das so ernst genommen, dass er sagte: "Ich muss noch genauer argumentieren und noch bessere Hinweise zur Stützung meiner Thesen finden." Wegener ist tiefschürfend in die Sache eingestiegen." Nach Krauses Überzeugung kann man Wegener als Kopernikus der Geowissenschaften bezeichnen: "Wegener hat unser Bild von der Erde revolutioniert."

Indizien

Wegener ging davon aus, dass die Kontinente aus leichterem Material als die Ozeanböden sind und sich wie Eisberge verhalten. Einen Beleg dafür kannte man aus Skandinavien: Dort war das Land in der Eiszeit durch das Gewicht der Gletscher eingesunken und hebt sich bis heute langsam wieder aus dem Meer. An vielen Orten auf der Welt finden sich Ablagerungen, die nur in tropischen Gewässern entstanden sein konnten – ein klarer Hinweis auf die Wanderung der Kontinente. Über die ursächlichen Kräfte wusste Wegener allerdings nicht viel.

Auch Übereinstimmungen in der Tier- und Pflanzenwelt verschiedener Kontinente stützten Wegeners These der Kontinentdrift. Die damals vorherrschende Lehrmeinung ging hingegen davon aus, dass es in früheren Zeiten Landbrücken zwischen den fest an ihren Positionen verharrenden Kontinenten gegeben haben müsse, anders wären die Artenübereinstimmungen nicht zu erklären gewesen. Diese Landbrücken seien irgendwann untergegangen. Da es bis in die 60er Jahre an der Technologie fehlte, um Wegener Theorie belegen zu können, hoffte der Pionier zeitlebens vergeblich auf eine unumstößliche Bestätigung seiner Theorie – auch wenn er selbst davon überzeugt war. Wegener starb 1930 im Alter von 50 Jahren während einer Grönland-Expedition.

Gegenwart

Mit sehr genauen Messverfahren lässt sich heute nachweisen, dass die Kontinente sich mit ihren Erdplatten um einige Zentimeter im Jahr bewegen, angetrieben von einer thermischen Konvektion, von Kräften unterhalb der festen Erdkruste. So wird zum Beispiel der Atlantik breiter, am mittelatlantischen Rücken bildet sich neuer Ozeanboden. Wo Kontinentalplatten aufeinandertreffen, entstehen Faltengebirge wie beispielsweise die Alpen.

An Kollisionsstellen wird Gestein auch in die Tiefe gedrückt (Subduktionszonen). Dort kommt es regelmäßig zu Erdbeben, dort gibt es viele Vulkane – der Feuergürtel rings um den Pazifik ist ein Beispiel dafür. Im ostafrikanischen Graben zerbricht ganz langsam der afrikanische Kontinent. Der Vorgang dauert jedoch Millionen Jahre, deshalb können wir die Veränderungen innerhalb eines Menschenlebens ohne sensible Messtechnik kaum wahrnehmen.

Am 6. Jänner würdigen das Alfred-Wegener-Institut für Meeres- und Polarforschung und das Senckenberg Naturmuseum den Forscher und den 100. Jahrestag seiner Theorie am Ort des historischen Vortrags in Frankfurt am Main. (red/APA)