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Wien - Anita Gruber produziert in Österreich das Glück. Milde belächelt sei sie worden, als sie ihr Unternehmen rein auf kleine Rauchfangkehrer, Marienkäfer, Fliegenpilze und Hufeisen spezialisierte, erzählt sie. Aber kaum einer außer ihr konnte mit bis zu 1800 Variationen an Glücksbringern aufwarten. Eine bunte Palette an Kunden, von Handelsketten und Bäckern bis zu Trafikanten und Marktfieranten, wuchs heran: Sie bringen der Steirerin und ihren acht Mitarbeitern mittlerweile übers ganze Jahr rund zwei Millionen Euro Umsatz.

"Je schlechter die Zeiten, desto gefragter sind die Glücksbringer", sagt Gruber. Vor allem günstigere fürs Geldbörsel seien immer drinnen. Viele davon lässt Gruber von freien Mitarbeitern in Österreich basteln, auch die Einzelteile werden hierzulande erzeugt. Einiges ordert sie in Asien. Bass erstaunt sei man dort einst gewesen ob der vielen Schweinchen, die die Steirer bestellten. Nicht zartrosa, sondern grün, lila und orange seien die ersten gewesen, die in Gratkorn eintrafen. "Wir waren völlig entsetzt, aber sie wurden zum Verkaufsschlager. In Asien begrüßt man uns seither als Mr. Pig."

Elefanten und Katzen

Sich zu Silvester mit Ferkel und Co zu beglücken, ist eine tief österreichische Tradition, von der sich lediglich ein paar Touristen anstecken lassen. Abseits der bewährten Klassiker finden Katzen und Elefanten vermehrt Anklang. Den Neujahrsrutsch begleiten laut der oberösterreichischen Wirtschaftskammer zunehmend auch Schafmilchseifen und Glückssteine.

Peter Lorber lebt seit einem halben Jahrhundert von den Glücksbringern. Seinen Silvesterstand in Wien betreibt er seit 1965, vorwiegend aber beliefert er Großhändler und Marktfahrer. "90 Prozent der Ware ist handgemacht, ein Drittel erzeugen wir selbst." Zwar währt das Silvestergeschäft gerade einmal ein paar Tage. Mit Arbeit ausgelastet ist er freilich übers ganze Jahr: Die Vorlaufzeit für eine neue Kollektion liegt bei vier Monaten.

Dass sich die Österreicher in der Krise seiner Branche mehr zuwenden, bestätigt auch Lorber. "Das ist eine Tatsache. Man braucht dann schließlich mehr Glück." Ob man daran glauben muss, um es zu verkaufen? Lorber bezweifelt, dass so ein Kleeblatt effektiv Glück bringt. "Aber der Glaube und die Überzeugung wirken Wunder. Jemanden etwas zu wünschen und zu schenken kann vieles bewegen."

Ihrem Betrieb sei noch nie Böses widerfahren, sinniert Gruber. "Wir haben noch immer Glück gehabt. Also, ich glaube dran."

Peter Kokesch ist seit 25 Jahren Marktstandler. Millionär werde er dabei keiner - die schwache Konjunktur schlage übers Jahr hart auf das Geschäft durch. Silvester aber habe ihn noch nie im Stich gelassen, meint er während er am Wiener Jonasreindl Glücksbringer jeder Façon aus seinen Kisten holt. Fünf bis zehn Euro gebe ein Kunde dafür bei ihm im Schnitt aus.

Fünf Tage darf das Geschäft der Silvesterstände brummen. Derer gibt es 336 in Wien, für den Quadratmeter zahlen sie pro Tag 1,40 Euro, rechnet Marktamtssprecher Alexander Hengl vor. Viele betrieben professionelle Marktfahrer. Es seien aber auch etliche Private darunter, die ansonsten ganz anderen Berufen nachgingen.

Die Nachfrage nach guten Verkaufsständen sei hoch. Und wer einmal einen angestammten Platz habe, verliere ihn auch so schnell nicht wieder, sagt Akan Keskin, Landesgremialobmann des Wander-, Markt-, und Straßenhandels: "Silvester ist kein schlechtes Geschäft." Ein, zwei Cent kostet im Großhandel etwa ein Glücksschwein, schätzt ein Branchenkenner. Bei einem Verkaufspreis von 50 Cent seien ganz gute Gewinne möglich. Alles in allem, von Sekt bis zu den Krachern, lassen sich die Wiener Silvester heuer 59 Millionen Euro kosten, glauben Marktforscher. Jeder Zweite, vor allem Frauen, verschenke Glücksbringer.

Auf wenig Gegenliebe dürfte bei ihnen dennoch so manches Präsent stoßen: Bei der Arbeiterkammer langten Beschwerden empörter Kunden über Libro ein. Im Silvesterrepertoire der Handelskette finden sich Schweinefiguren, die in sexistischer Manier die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verherrlichen. Die Arbeiterkammer fordert Libro auf, die Glücksbringer aus dem Verkehr zu ziehen: Rechtlich lasse sich laut einer Sprecherin wenig machen. Es sei jedoch notwendig, Grenzen zu setzen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.12.2011/1.1.2012)