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Deutsche Soldaten auf einem Schnellboot im Hafen von Dschibuti. Deutsche Truppen und Kriegsschiffe sind Teil der EU-Mission Atlanta, die somalische Piraten bekämpft - bisher nur auf See.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke/Files

Mogadischu/Brüssel - Ostafrikanische Strände beschäftigt derzeit die deutsche Innenpolitik. Als "blanken Wahnsinn" bezeichnete Omid Nouripour, Verteidigungssprecher der Grünen, Pläne, somalische Piraten auch an Land zu bekämpfen, die SPD möchte dieses "Abenteuer" verhindern. Die CDU hingegen hält die Idee für "grundsätzlich sinnvoll".

Bereits jetzt bekämpfen deutsche Truppen als Teil der EU-Mission Atalanta die Piraten auf See. Das Land ist als Exportweltmeister und Heimat wichtiger Reedereien direkt betroffen von den Plünderungen. Die EU prüft nun, ob ihre Anti-Piraten-Einheit fliehende Piraten mit Hubschraubern bis an den Strand verfolgen soll. Briten und Franzosen sollen zudem auch an einem Einsatz von Amphibienfahrzeugen interessiert sein, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Durch den Golf von Aden, dem Haupteinsatzgebiet der Piraten, wird 30 Prozent des weltweiten Warenverkehrs per Schiff transportiert, sowie zwölf Prozent des verschifften Öls. Der Golf ist zudem eine der wichtigsten Nachschubstrecken für Militäreinsätze in Afghanistan und dem Irak.

Was für Reedereien eine Bedrohung ist, gilt vielen somalischen Fischern als Selbstverteidigung. Als 1991 der somalische Staat zusammenbrach, ergriffen ausländische Fangflotten, auch aus Europa, die Gelegenheit und nutzten ohne Genehmigung die fischreichen Gewässer. Die einheimischen Clans reagierten mit bewaffneten Angriffen, um die Eindringlinge zu vertreiben. In vielen Fischergemeinden wird Piraterie daher mit dem Kampf gegen illegale Fischer gerechtfertigt, schreibt David Petrovic in seinem Aufsatz über die Piraterie in dem neuen Sammelband Somalia.

2006 konnte die Islamic Court Union (ICU), die gegen die somalische Regierung kämpft, die Kontrolle über zahlreiche Piratenhochburgen übernehmen. Die Überfälle hörten daraufhin fast komplett auf. Die USA fürchteten die ICU jedoch als Terror-Unterstützer und halfen äthiopischen Truppen, sie zurückzudrängen. Seither wird wieder geplündert.

Hunderte Geiseln

Wie viele Schiffe die Piraten in ihrer Gewalt haben, ist unklar, die Angaben schwanken zwischen sieben (Atalanta-Mission) und 44 (Monitoring-Dienst Ecoterra, der der EU vorwirft, nur jene Schiffe zu zählen, die in EU-Ländern versichert sind). Mehr als 400 Menschen sollen sie als Geiseln halten.

Piraten bedrohen nicht nur Reedereien und Crews: 3,5 Millionen Somalis sind von Lieferungen des World Food Program abhängig. Fast alle Hilfsgüter werden per Schiff transportiert, immer wieder greifen Piraten die Frachter an. Zudem attackieren die Angreifer auch mit panzerbrechenden Waffen. Auf Öltankern kann das katastrophale Folgen haben.

Dass die Angriffe bald gestoppt werden können, ist unwahrscheinlich. Zwar ist dank Militär und privaten Sicherheitsfirmen nur jeder neunte Angriff erfolgreich - trotzdem verdient ein Pirat bis zu 150-mal mehr als ein durchschnittlicher Somali. (tob, DER STANDARD-Printausgabe, 31.12.2011/1.1.2012)