Wien - Vorsichtig optimistisch - das ist die Stimmung, mit der Henning Eßkuchen den Ausblick auf Osteuropa für die kommenden Monate beschreibt. Der Erste-Group-Analyst für die CEE-Märkte bewertet Osteuropa-Aktien als attraktiver als Titel aus der Eurozone. Dass die Erholung der Märkte im Osten so schnell erfolgt wie 2009, sei aber nicht zu erwarten: "Der Aufschwung wird ruhiger einsetzen, wobei sich die langsame Stimmungsaufhellung in der Entwicklung der Aktienkurse niederschlagen sollte", fasst Eßkuchen zusammen.

Die Analysten der Erste Bank rechnen für 2012 aber auch mit einem deutlichen Einbruch beim BIP-Wachstum und erwarten vor allem für Ungarn und Kroatien wieder negative Wachstumsraten. Bei Ungarn scheint es laut Eßkuchen so zu sein, dass der Markt einen Punkt erreicht hat, bei dem die Kreativität der Regierung und die Unsicherheiten bereits eingepreist sind. Langfristige Investoren seien daher nach wie vor an Ungarn interessiert. Jene, die auf den ungarischen Forint gewettet hatten, seien aber ebenso aus dem Land geflüchtet wie die Portfolio-Investoren. Anleiheninvestoren würden zwar bleiben, dafür aber auch entsprechend viel Geld (Risikoprämie) verlangen.

"Die Lage in Ungarn hängt im Wesentlichen von der Entwicklung der Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU ab", sagte Eßkuchen. Es sei ein Pokerspiel zwischen der ungarischen Regierung einerseits und dem IWF bzw. der EU andererseits über die "Pleitegefahr" des Landes im Gange, bei der auch ein möglicher Domino-Effekt im Raum stehe (siehe Artikel Seite 19).

Schrumpfen und wachsen

Für Ungarns Wirtschaft erwartet das Experten-Team der Erste Group ein leichtes Schrumpfen um 0,4 Prozent. Die von den Analysten gecoverte CEE-Region (acht Länder) dürfte hingegen mit 1,7 Prozent deutlich schneller wachsen als die Eurozone (0,2 Prozent).

Zur Vorsicht raten die Analysten auch bei Polen. Die Bewertungen, Gewinnrevisionen und Abschläge gegenüber den fairen Niveaus würden zwar für den polnischen Markt sprechen. Allerdings erwarten viele Ost-Experten 2012 einen Rückgang der Gewinne um rund zehn Prozent und erst 2013 eine Rückkehr zu leicht positiven Zahlen. Die Haushaltskonsolidierung wird zudem ein wichtiges Thema bleiben.

"Unserer Ansicht nach werden Investoren stabile Unternehmen mit Kapitalüberschuss suchen, hohe Schuldendeckungsgrade und Defensivwerte bevorzugen", sagt Eßkuchen.

Gewinnrevisionen werden vor allem im Bankenbereich erwartet, gefolgt von Rohstoff-Unternehmen und im Energiesektor. Gleichzeitig bewerten die Analysten Versicherungen und Telekomunternehmen als interessant. Zudem würden CEE-Versorger als Basis- bzw. Defensivinvestment positiv bewertet. Daher empfehlen die Erste-Analysten den Öl- und Gassektor sowie als Defensivwerte Telekom und Versorger, Zykliker wie etwa die Baubranche und Rohstoff-Titel würden sie "links liegenlassen". Darüber hinaus dürfte der Einzelhandel beflügelt durch das anhaltende Konsumwachstum positive Ergebnisse erzielen. (bpf, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2012)