
"Schon das Timing erinnert an den Einmarsch der Sowjettruppen in Afghanistan": Medienökonom Karmasin über die ORF-Personaldebatte.
STANDARD: Sie befassen sich mit strategischer Kommunikation. Berief ORF-Chef Alexander Wrabetz SP-Mann Niko Pelinka und anderer strategisch klug in den ORF?
Karmasin: Wenn es darum ging, den Brand Value, den Markenwert des ORF, und den Public Value, den öffentlich-rechtlichen Mehrwert, nachhaltig zu konterkarieren, hätte ich es genauso gemacht.
STANDARD: Was lief da schief?
Karmasin: Schon das Timing, kurz vor Weihnachten, erinnert an den Einmarsch der Sowjettruppen in Afghanistan. Die Bestellung vor der Ausschreibung. Der Kandidat kündigt bei den ÖBB noch vor der Ausschreibung - da muss er sehr sicher sein. Ausschreibung als Redakteur und Proteste dagegen - woraufhin der ORF beteuert, die journalistische Definition sei nur formal und historisch gewachsen. Dass ein Aufsichtsrat in eine operative Funktion wechselt, ist international unüblich. Ebenso eine Ausschreibung für einen Job im Linienmanagement des größten Medienunternehmens, die keine inhaltliche Qualifikation erfordert. Im ORF braucht es offenbar dafür weder Vorbildung in Betriebswirtschaft noch im Medienmanagement.
STANDARD: Beides vermissen Sie am Fixstarter Niko Pelinka.
Karmasin: Wir sollten diese Diskussion unabhängig von Personen führen. Es geht nicht um Niko Pelinka, er ist ein Symbol für das Verhältnis von Politik und ORF.
STANDARD: Was hat die Bestellung eines Parteiorgans zum Büroleiter mit dem Markenwert und Public Value des ORF zu tun?
Karmasin: Für die Gebührenzahler sind Unabhängigkeit und journalistische Qualität ein wesentlicher Teil des Public Value. Will der ORF verhindern, dass er Gebühren mit Privaten teilen muss, und sein Gebührenprivileg erhalten, sollte er den Public Value sehr ernst nehmen. Für das Image, den Brand Value des ORF ist die Debatte sehr ernst zu nehmen.
STANDARD: Wie geht die Causa aus?
Karmasin: Derzeit läuft schon die Debatte falsch, es geht nicht darum: Gewinnen die ORF-Redakteure oder Wrabetz? Kanzler Werner Faymann (SP) wird Pelinka durchtragen, das ist schwer zu verhindern. Und man muss einem Manager zugestehen, dass er sich seinen Büroleiter wonach auch immer aussucht. Es muss aber klar sein, worum es im ORF existenziell geht: journalistische Autonomie, Qualität, Transparenz. Dass die Redakteure das jetzt, wo es um die SPÖ geht, so öffentlich machen wie 2006 bei der ÖVP, ist ein ganz wesentliches Signal. Sie zeigen: Wir sind weder auf dem rechten noch dem linken Auge blind. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.1.2012)