Standard: Die Krise zwingt die Gemeinden zum Sparen. Wo würden Sie in Eisenkappel ansetzen?

Haderlap: Wir sind doch schon ganz am Boden. Jetzt kann man nur mehr gescheit aufbauen. Es sind die Kreativen, die Fantasten, die die Welt in Atem halten, nicht die Erbsenzähler.

Standard: Was sollte die Politik dazu tun?

Haderlap: Die Politik ist visionslos. Die Parteien haben abgewirtschaftet, denken nur mehr an ihren Machterhalt. Wir selbst müssen die Anreize setzen, damit unsere Kinder wieder zurückkehren wollen. Wir haben die Qualität einer wunderbaren Landschaft, aber wir haben keine Arbeitsplätze. Wir müssen unseren Landschaftsraum zum Kunstraum und Lebensraum machen und die Welt ins Wohnzimmer holen.

Standard: Wie sollte das gehen?

Haderlap: Wir müssen zuerst radikal umdenken und uns nicht dagegenstemmen, dass das bisherige System kollabiert. Ausgehungerte Gebiete haben jetzt die Chance, Versuchslaboratorien für neue Modelle zu werden.

Standard: Sehen Sie denn solche Ansätze in Ihrer Gemeinde oder in Kärnten?

Haderlap: Bei uns in Eisenkappel und in Kärnten ist schon viel passiert. Es gibt neue zweisprachige Ortstafeln. Dieses Symbol ist sehr wichtig. Wir Slowenen entdecken uns und unsere Geschichte in Kärnten neu, ohne dass jemand Angst haben muss, die Drau hinuntergespült zu werden. Und die Abwehrkämpfer haben sich selbst stillgelegt. In Eisenkappel jedenfalls. Das schafft neue Voraussetzungen für uns alle.

Standard: Was kann man konkret in Eisenkappel tun?

Haderlap: Wir sollten mit der Aufarbeitung der Ressourcen beginnen, die wir hier vor Ort haben. Wir brauchen eine Zukunftswerkstätte für lokale Identität. Diese Region besitzt eine unglaubliche Vielfalt. Diese Schätze müssen wir heben, zur Kleinteiligkeit zurückkehren und daraus neue Perspektiven entwickeln. Das geht nur über die Kultur.

Standard: Vor Ihrem Hof steht ein Land-Art-Kunstwerk.

Haderlap: Es ist das Labyrinth getaner Arbeit und symbolisiert den Weg zu uns selbst. Wir müssen so lange einen vorgegebenen Weg gehen, bis wir in unserem Zentrum angekommen sind.

Standard: Wieso sind Sie 2002 aus Berlin nach Eisenkappel auf Ihren Bergbauernhof zurückgekehrt?

Haderlap: Es geht heute nur um Egoismus. Auch in der Theaterwelt. Ich habe mich danach gesehnt, in den Rhythmus der Natur einzutauchen. Es war schwierig, in dieses Haus mit all den bösen Erinnerungen an die Partisanen und deren Mördern zurückzukehren. Aber man muss in diese Geschichten hineingehen. Das habe ich mit meiner Kulturarbeit versucht. Nur dann gewinnt man seine Identität. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2011)