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Tausende protestierten gegen das Vier-Flüsse-Projekt, ohne Erfolg.

Foto: REUTERS/Jo Yong-Hak

Die Kritik an den Flussregulierungsplänen in Südkorea war vor und während der Umsetzung schon massiv. Auch jetzt, nach Fertigstellung eines der größten Bauvorhaben in der Geschichte des Landes, wollen die Protestchöre nicht verstummen.

Das Projekt, das in zwei Jahren Bauzeit umgesetzt wurde, ist einmalig in der Region: 17,7 Mrd. Dollar (13,5 Mrd. Euro) wurden investiert, um die vier Hauptflüsse des Landes zu restaurieren. Sechzehn neue Dämme wurden gebaut, um die Flüsse aufzustauen. Ziel ist es, künftige Flutschäden zu verhindern, die Wasserqualität zu verbessern und die Flussgebiete in Freizeit- und Erholungsparks zu verwandeln.

Außerdem hofft die Regierung, durch das Vier-Flüsse-Projekt jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen Trinkwasser zusätzlich sicherzustellen. Damit würde Südkorea nicht mehr zu den Ländern mit Wassermangel zählen.

Geschichtsträchtiges Projekt

Am vergangenen 22. Oktober feierte Präsident Lee Myung-bak die Fertigstellung seines "historischen" Projekts. Damit wolle er sich einen Platz in den Annalen der südkoreanischen Geschichte sichern, sagen Kritiker.

Für den emeritierten Professor Hans Helmut Bernhart vom Karlsruher Institut für Technologie ist das Vier-Flüsse-Projekt "völliger Schwachsinn" und reine Augenwischerei. Man könne bei dem Vorhaben letztendlich nicht von einer Revitalisierung der Flüsse sprechen: "Die bauen Staustufen - sonst nichts. Sämtliche Feuchtgebiete, alle Inseln und Sandbänke wurden einfach ausgebaggert."

Ökologisch sei das Vier-Flüsse-Projekt eine Katastrophe, abgesehen von der radikalen Zerstörung der Pflanzen- und Tierwelt. "Ob Hochwasserabfluss, Grundwasserhaushalt oder Wasserqualität - alles wurde durch den Bau negativ beeinflusst", sagt Bernhart.

Auch der Großteil der Bevölkerung steht dem Vier-Flüsse-Projekt inzwischen ablehnend gegenüber. Trotz aufschreiender Bürgergruppen, die das Projekt als "Turmbau zu Babel" bezeichneten, Klagen gegen die Regierung sowie Expertenwarnungen wurde das Projekt durchgezogen. Bernhart: "Das war eine rein auf die Bauindustrie gezielte Förderung."

Stoischer "Bulldozer"

Die UN-Umweltorganisation, die die Zielsetzungen des Vier-Flüsse-Projekts noch in der Planungsphase gelobt hatte, sei getäuscht worden. Auf dem Papier sei das Bauvorhaben als milliardenschwere Investition für den CO2-Abbau erschienen, tatsächlich sei es nur eine Ankurbelung der Wirtschaft mit katastrophalen ökologischen Folgen.

Präsident Lee Myung-bak war früher Geschäftsführer des größten Baukonzerns des Landes. In der Bevölkerung lautet sein Spitzname "Bulldozer".

Sollte die liberale Opposition die Präsidentschaftswahlen im kommenden Dezember gewinnen, wurde den Wählern bereits versprochen, das Bauprojekt rückgängig zu machen - für Bernhart die einzig richtige Entscheidung. Schließlich ziehe das Vier-Flüsse-Projekt auch langfristig einen Rattenschwanz an Folgekosten nach sich. Allein für die Instandhaltung der vier Flüsse werde die Regierung nach Angaben der koreanischen Nachrichtenagentur Yonhap jährlich gut 220 Millionen US-Dollar einplanen müssen.

Präsident Lee gibt sich bis jetzt noch gelassen gegenüber der Kritik. Seine stoische Antwort während der Feierlichkeiten zur Fertigstellung des Projekts: "Gegen historische Arbeiten gibt es immer Opposition." (Fabian Kretschmer aus Seoul, DER STANDARD, Printausgabe, 5.1.2012)