Die Zwiebel fristet kulinarisch meist ein Schattendasein: Obwohl das sicher am häufigsten verwendete Gemüse, wird sie stets aus dem Sud oder der Sauce entfernt, bevor er oder sie serviert wird, oder sie wird von Anfang an so klein gehackt, dass nachher ja nichts mehr von ihr zu sehen ist. Selbst, wenn sie sich einmal zeigen darf, im Zwiebelrostbraten etwa, auf der Leber oder den Nierndln, entkommt sie ihrem Schicksal nicht, bloß Gewürz zu sein. Nur ganz manchmal darf die allgegenwärtige Zwiebel auch die Hauptrolle spielen: als Zwiebelsuppe.

Anders als viele andere Suppen eignet sich die Zwiebelsuppe nicht nur als Vorspeise. Anständig mit Käse gratiniert, ist sie so üppig, dass der Esser danach nicht mehr viel braucht, um satt zu sein. Sie schmeckt so opulent und prägnant, dass man nach ihrem Genuss eigentlich bereits genug erlebt hat. Sie sollte daher entweder ganz allein gegessen werden oder aber, wenn als Vorspeise, dann in sehr kleinen Portionen. Ich habe sie zuletzt als Auftakt eines winterlich-üppigen Menüs vor dem Sauschädl serviert.

Zwiebelsuppe machen ist vor allem eine Geduldsprobe. Es geht nicht nur nicht schnell, sondern nur elendslangsam. Und: je länger es dauert, desto besser wird sie. Die meisten Menschen karamellisieren ihre Zwiebel eine, vielleicht zwei Stunden. Nicht so Thomas Keller, der nimmt sich mindestens sechs Zeit. Weil ich dem Mann und seinem Bouchon bedingungslos vertraue, tue ich es ihm hier gleich. Um ihren ganzen Geschmack zu entfalten, müssen die Zwiebel durch und durch karamellisiert sein. Das funktioniert nur mit ganz niedriger Hitze, wer hetzt, dem verbrennt die Zwiebel – sie wird dann nicht braun und süß, sondern schwarz und bitter. Zu allem Überdruss schmeckt sie, wie meiner Meinung nach die meisten Suppen, am nächsten Tag noch viel besser als frisch. (Wer dafür eine Erklärung hat, die über "sie reift" hinausgeht: bitte posten!)

Tobias Müller

Zweitens ist die Zubereitung recht schmerzhaft. Wer keine Hornhaut auf den Augen hat, wird sehr viel weinen. Der Koch muss nämlich eine Menge an Zwiebel schneiden, die sogar für etwas, das Zwiebelsuppe heißt, überraschend groß ist. Für vier Leute braucht es mindestens 1,5 Kilo, und das ist auch nur dann genug, wenn die Suppe als kleine Vorspeise serviert wird. Ansonsten sind gut und gern drei Kilo nötig. Zur Beruhigung: Nach etwa einem Kilo haben sich zumindest meine Augen meist gewöhnt.

Die größte Schwierigkeit an der Zwiebelsuppe ist aber, in welchem Gefäß man sie serviert. Der handelsübliche Suppenteller und seine Schwester, die gemeine Suppenschüssel, sind ungeeignet, weil in ihnen die Suppe nicht überbacken werden kann. Am besten ist ein bauchiges Gefäß, das nach oben hin zusammen geht, etwa der klassische Löwentopf – den ich aber leider nicht besitze. Ich fülle sie daher in kleine Keramiktöpfe, in denen ich sonst Soufflés oder Cremen backe. Die Portionen werden dann allerdings entsprechend, nun ja, klein. Als ich mich das letzte Mal mit dem Problem konfrontiert sah, habe ich überlegt, die Suppe in Marmeladengläser zu füllen, darin zu überbacken und neben einer Schüssel zu servieren. Die Esser können dann den Käse aufstechen und sich die Suppe selbst in die Schüssel gießen, in der ein paar Extra-Croutons liegen. Im Testlauf sah das ganz proper aus. Aus Suppenmangel habe ich dann aber doch die Soufflé-Form genommen.

Zwiebelsuppe für Zwei (oder als Vorspeise für vier)
1,5 Kilo Zwiebel in gleichmäßige Streifen schneiden. Angeblich werden sie weicher, wenn man das mit der Maserung tut und nicht quer zu ihr.

Tobias Müller

Um sie stundenlang karamellisieren zu können, braucht es eine möglichst gleichmäßige, niedrige Hitze, die am besten eine Gusseisenpfanne bietet. Die Zwiebelmenge ist am Anfang aber viel zu voluminös, um in eine Pfanne zu passen, sie muss daher erst im großen Topf entwässert werden.

Dafür die Zwiebeln mit 70 Gramm Butter und etwas Salz (entzieht Wasser) bei kleiner Hitze etwa eine Stunde ziehen lassen und immer wieder umrühren.

Tobias Müller

Wenn sie zusammen gefallen sind, die Hitze weiter reduzieren. Bei meinem Elektroherd habe ich Stufe zwei von neun genommen.

Tobias Müller

Die Gusseisenpfanne vorheizen und die Zwiebeln transferieren, sobald sie hinein passen, ohne beim Umrühren hinaus zu fallen.

Tobias Müller

Etwa fünf weitere Stunden karamellisieren und alle 15 Minuten rühren. Gegen Ende hin darfs ruhig etwas öfter sein.

Tobias Müller

Wenn sie so richtig braun sind, mit etwas Mehl bestäuben und zwei Minuten rösten. Wer hat, der kippt nun einen Schuss Portwein darüber und lässt ihn kurz einkochen. Rotweinessig tuts aber auch.

Tobias Müller

Die Zwiebel mit einem bis eineinhalb Liter Kalbsfond aufgießen und eine Stunde köcheln lassen. Freund M. nimmt lieber Rindsfond, weil ihm im Kalbsfond zu viel Kollagen ist, der Vegetarier greift zum Gemüsefond, wer gar nichts hat,zum Wasser. Anschließend eine oder zwei Nächte stehen lassen.

Zum Servieren die Suppe in Schüsseln füllen und, je nach Schüsselgröße, ein oder zwei Stück im Rohr getoastetes Baguette hinein legen, dann die Schüssel so mit Käsescheiben belegen, dass sie verschlossen ist.

Tobias Müller

Klassisch ist dazu der Comté, ich habe einen etwa einjährigen Appenzeller genommen, ein guter Bergkäse oder Emmentaler tuns auch. (Den guten Emmentaler gibt es meiner Erfahrung nach bei uns nicht im Supermarkt. Bei keinem Käse liegen soche Welten zwischen Fachhandel und Massenware. (Hier etwa ist das ein Käse, der mit dem üblichen Emmentaler nur den Namen gemein hat). Der Käse sollte bereits reifer sein, ist er aber zu alt, lässt er sich nicht in Scheiben schneiden, weil er zu leicht zerbröselt. Die Schüsseln mit Grillstufe im Backrohr so lange backen, bis der Käse braun wird. Servieren. Wer seine Gäste mag, der warnt vorm Anfassen der Schüsseln.

Tobias Müller

Eine etwas akademische Nachfrage zum Fond vergangene Woche, weils als Klärtipp gepostet wurde: Einen Fond, der mit Eiweiß und Faschiertem geklärt und geschmacklich aufgefrischt ist, habe ich bisher für eine Consomé gehalten. Hab ich mich da getäuscht? Ich nehme fürs Bouquet Garni übrigens einfach ein leeres Teesackerl, wie mans in jedem Supermarkt bekommt.