Die Frage, ob Nikolaus Pelinka Büroleiter wird oder nicht, ist gleichgültig. Sie ist höchstens ein Symptom einer Krankheit mit der die älteste Partei unseres Landes befallen ist. Die Krankheit hat einen Namen: Radikaler Pragmatismus.

Elfriede Jelinek beschwor ob der Causa "das Ende der Sozialdemokratie" in Österreich herbei. Der Sozialdemokratie geht es wirklich nicht gut. Da kann Niko Pelinka aber nur am Rande etwas dafür.

Die Nikos, Lauras und Pekos dieser Sozialdemokratie sind es, die heute nach außen für eine SPÖ stehen, die sich unter der Führung von Kanzler Faymann dem beständigen und beschädigenden Pragmatismus hinwandte. Jung, teilweise talentiert, aber mit einem unglaublichem Maß an Chuzpe ausgestattet, um angeprangerte Ungerechtigkeiten in den eigenen Handlungen nicht zu suchen und zu sehen.

Selbstständig aus Überzeugung zu handeln und zu diesem Handeln zu stehen wird für die SPÖ, wie für andere Parteien, immer seltener. Das wird in der Europa-Politik oder der Steuer-Politik allzu deutlich. Pragmatisches Handeln hat einen scheinbaren Vorteil. Die Chance, relativ gut oder relativ ungut aufzufallen scheint geringer, die Persönlichkeit und Seele einer Partei wird dafür jedoch geopfert. Die Diskrepanz zwischen überzeugtem Parteifunktionär, der einmal in eine Partei eingetreten ist, weil er an deren Ideale glaubte, und Parteiführung wird dadurch nur größer.

In Zeiten des radikalen Pragmatismus hat die Sozialdemokratie ein mittel- bis langfristiges Problem. Die Partei höhlt sich inhaltlich aus, verknöchert strukturell und verhindert konsequent eine Beschäftigung mit den eigenen Problemen. An denen gäbe es viele.

Früher einmal, da war die SPÖ und ihre Mitglieder eine stolze Partei, mächtig, einflussreich, inhaltlich gefestigt. Seit den 1990er Jahren hat sich das verändert. Die drohende Gefahr des Stimmenverlustes nach rechts ließ die SPÖ Positionen annehmen, die ihre ursprünglichen nicht sind. Stichwort: Asyl- oder Bildungspolitik.

Aus einer Partei, die aus der Überzeugung heraus den Schwächeren zu helfen gegründet wurde, wurde eine Partei, die den Selbsterhalt vor den Selbstgehalt stellte. Als Ziel des SPÖ-Politikers, gilt es gewählt zu werden. Das sieht und spricht Bundeskanzler Werner Faymann offen aus.

Will die Sozialdemokratie nicht als Hülle ihrer eigenen Vergangenheit übrig bleiben, braucht sie einen Erneuerungsprozess. Das kann Wähler kosten, das kann manch einen Posten kosten. Doch am Ende steht vielleicht eine Partei, die ihre Seele wieder hat - und neue Ideen. Durch die Causa Pelinka hat sie ein Stück mehr davon verloren. Und das ist das eigentliche Problem für die SPÖ. Und nicht der Posten eines Büroleiters.

Einstweilen steuert die Führung der SPÖ ihre Partei sehenden Auges in die Inhaltsleere. Die Partei entkoppelt sich von der Bevölkerung - und was für die Partei auf Dauer gravierender ist - von ihrer Basis. Heinz-Christian Strache kann es ihnen nur danken. Die Verwunderung wird groß sein, irgendeine pragmatische Erklärung wird den SPÖ-Granden jedoch auch dann einfallen, wenn sie nicht mehr in der Regierung sind. Vielleicht nehmen sie dann die Chance wahr, in der Opposition die ideele und inhaltliche Neuausrichtung durchzuführen, die in sieben Jahren Schwarz-Blau verabsäumt wurde.

Die Nachrichten des Untergangs der Sozialdemokratie kommen verfrüht, sind aber nicht abwegig. Sie wird nicht an Niko Pelinka scheitern, aber vielleicht an seinen Freunden. (derStandard.at, 6.1.2012)