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Siedler bei Assira al-Kibliya

Foto: AP/dapd/Nasser Ishtayeh

Nach dem arabischen-israelischen Krieg von 1973 hat sich eine Gruppe junger Frauen mit der damaligen Premierministerin Golda Meir getroffen. Der Grund: die Bitte um Unterstützung für ein Siedlungsprojekt in der Bergregion des Westjordanlandes. Der Ort: ein alter osmanischer Bahnhof nordwestlich der palästinensischen Stadt Nablus. Meir hatte die Bewilligung nicht erteilt. Doch das sollte damals, wie auch heute, keine der Siedler davon abhalten, mit viel Ehrgeiz fremdes Land zu besetzen.

Mittlerweile steht die damals geforderte Siedlung. Sie heißt Elon Moreh, und hat um die 1.300 Einwohner. Sie ist eine jener unter internationalem Recht illegalen Hügeldörfer, aus denen eine immer radikalere Siedlerbewegung hervorsticht. Brandanschläge gegen palästinensische Einrichtungen, Einbrüche in Militärstützpunkte und alle mögliche Gewalttaten, jedoch keine einzige Verurteilung: Elon Moreh, Yitzhar, Havat Gilad, Ramat Migron, Itamar, Harsha, Kiryat Arba - das sind nur einige der für Israel immer unangenehmeren Brutherde für radikales Denken.

Für zwölf israelische Siedler heißt es nun „Betreten verboten" im Westjordanland (derStandard.at berichtete). Die jungen Männer haben laut offiziellen Angaben gewalttätige Angriffe gegen Palästinenser und das israelische Militär geplant, sie teilweise auch schon ausgeführt. Außerdem sprach die Polizei von einem „Geheimdienst Hauptquartier", das Siedler-Aktivisten scheinbar zur Überwachung des israelischen Militärs betrieben haben, um so den Abriss von illegalen Siedler-Außenposten zu verhindern. Schon seit den 70er Jahren tanzt der Staat Israel einen seltsamen Tanz mit den Siedlern im Westjordanland. Dort wo die Regierung Siedlungsprojekte nicht direkt unterstützt hat, wurde sie oft ausgetrickst. Sanfte Strafen gegen radikale Aktivisten lassen den Staat zunehmend machtlos erscheinen.

Ein Katz-und-Maus-Spiel

Golda Meir hatte 1973 keine Zustimmung zur neuen Siedlung gegeben. Trotzdem versuchte die Siedlerbewegung in den folgenden drei Jahren insgesamt acht Mal Elon Moreh ohne Genehmigung einzunehmen". Diese sogenannten „Aufstiege" wurden oft von Rabbis, Universitätsprofessoren und Parlamentariern begleitet. Ariel Sharon, damals noch am Beginn seiner politischen Karriere, organisierte einige dieser Aktionen. Im Juli 1974 durchbrach er mit einer Gruppe Aktivisten Militärsperren bei Nablus, lockte so Armeeeinheiten in ein Katz-und-Maus-Spiel, währenddessen sich eine weitere Gruppe unbemerkt an den alten Bahnhof ketten konnte, wo sie die Siedlung errichten wollten. An diesem Tag ist es zwar nicht passiert, letztendlich aber doch.

Es ist dieser Kern aus Aktivisten, aus dem sich 1974 die einflussreiche Siedlerorganisation Gusch Emunim entwickelt hat, die als Siedlerlobby zu Beginn noch nicht voll durch die israelische Regierung unterstützt wurde. Zwei Jahre später gab die Regierung unter Yitzhak Rabin dann erstmals nach, und erlaubte in einem Kompromiss einigen Familien in der Nähe von Elon Moreh in der israelischen Kaserne Qadum zu leben. Doch bald wurde die Siedlung größer als der Armeestützpunkt selbst. So entstand ein weiteres durch den Staat toleriertes Hügeldorf - Qadumim.

Auf diese oder ähnliche Weise wurden über die Jahre immer mehr Siedlungen geschaffen. Oft unter dem Vorwand archäologischer Ausgrabungen, wie bei der Siedlung Schiloh (heute Bet El), bei Ramallah. Unter dem Deckmantel der Archäologie folgten dort bald die Familien den „Archäologen", Wassertürme wurden gebaut, und Zelte durch Container ersetzt. So wurde illegales faktisch legal, und letztlich vom Staat toleriert, bis die Siedlungsdoktrin bald zur Regierungsdoktrin wurde.

1977 lebten noch 4.500 Siedler in 28 Siedlungen im Westjordanland. Nachdem die Mitte-rechts Partei Likud 1977 zum ersten Mal die Linken vom Regierungsthron stürzte, steigerte sich die Zahl der Siedlungen innerhalb von vier Jahren auf 68, die der Siedler vervierfachte sich auf 16.200. Das war durch eine komplexe Allianz zwischen Gusch Emunim, anderen Nichtregierungsorganisationen und ihren Unterstützern in der Regierung möglich, bis ab 1981 die Siedlerdoktrin endgültig Teil der Staatsdoktrin wurde.

„Wir werden den Kampf weiterführen"

Viele Parteien haben über die letzten dreißig Jahre das Siedlungsunternehmen unterstützt. Dadurch wird die Zweistaatenlösung und der Friedensprozess mit den Palästinensern langsam vernichtet. Und viele Siedleraktivisten bleiben radikal und gefährlich.

Die außerparlamentarische Aktivistengruppe Gusch Emunim, was so viel heißt wie Block der Getreuen, ist 1974 aus der Nationalreligiösen Partei hervorgegangen, der auch der Mörder von Premierminister Yitzhak Rabin zugerechnet wird. Der sogenannte Untergrund von Gusch Emunim hat zwischen 1979 und 1984 Bombenattentate auf palästinensische Bürgermeister verübt, ermordete Studenten in Hebron, und plante angeblich auch den muslimischen Felsendom in Jerusalem zu zerstören.

Dabei waren es oft besonders ehrgeizige Individuen, die das Projekt der Besiedlung in den Palästinensergebieten vorangetrieben haben. Eine der Frauen, die im Jahr 1973 noch zwecks Bewilligung Golda Meir aufgesucht hatte, war Daniella Weiss - eine radikale Aktivistin und spätere Generalsekretärin von Gusch Emunim. Sie bekam zuletzt 2008 Westjordanland-Verbot, weil sie laut israelischem Militär für einen Großteil der Gewalttaten gegen Palästinenser und das israelische Militär in der Stadt Hebron verantwortlich war.

Wie man heute sieht, haben die milden Strafen von damals an der anti-staatlichen und anti-palästinensischen Haltung mancher Sieder von heute nichts geändert. Bleibt es auch diesmal wieder nur beim Verweis aus dem Westjordanland, wird sich auch morgen nicht viel daran ändern. „Wir werden für unser Recht und unsere Prinzipien, und dafür überall im Land Israel zu sein zu dürfen, kämpfen", sagte Daniella Weiss vor drei Jahren, „und wenn sie versuchen uns zu stoppen, werden wir den Kampf weiterführen."