Bischofshofen - Andrea, das urböse Sturmtief, hat es zwar natürlich hauptsächlich auf den Arlberg abgesehen. Aber gar so weit ist es dann nicht mehr in den Pongau nach Bischofshofen. Das Luder erinnerte bei aller Bosheit immerhin daran, dass bei der Vierschanzentournee, die zu ihrer 60. Ausgabe an die 100.000 Zuseher an die Schanzen und viele Millionen vor die Fernseher lockte, durchaus nicht alles eitel Wonne ist.

So wurde auf dem Innsbrucker Bergisel, aber mehr noch in Bischofshofen eine kombinierte Keramik-Eisspur im Anlauf, wie sie die Olympia-Schanze in Garmisch-Partenkirchen längst ziert, besonders vermisst. Die Bilder der vor dem Schanzentisch des Paul-Außerleitner-Bakkens durch nassen Neuschnee gebremsten, mit den Armen um Gleichgewicht rudernden Springern während der dann abgebrochenen Qualifikation am Donnerstag wirkten hinreichend gruselig, die kosmetischen Arbeiten an der Spur am Freitag hinreichend komisch, um eine diesbezügliche Modernisierung der Anlagen flott anzudenken.

Auch die Entlohnung der Athleten, die sich solchen Gefahren aussetzen, dürfte bald überdacht werden. Der Gesamtsieger der Tournee kassiert diesmal zu den Weltcup-Prämien - vor Bischofshofen waren es für Gregor Schlierenzauer 23.000 und für Andreas Kofler 21.300 Euro - 20.000 Euro. Deutlich mehr waren die Mittelklasseautos wert, die noch bis zur 59. Tournee ausgelobt waren. Nach der 60. darf der Sieger nur einen 120. 000-Euro-Schlitten eines Sponsors ein halbes Jahr leihweise kutschieren.

Immerhin ein gelungener Marketing-Gag war das Versprechen der Tourneeveranstalter, jenem Springer 820.000 Euro zu bezahlen, der als Zweiter nach Sven Hannawald (2001/02) alle vier Springen en suite gewinnt.

"Schadensfall" abgewendet

Dieser "Schadensfall", den Koflers Sieg in Innsbruck abwendete, war ordentlich, wenn auch bei Berechnung der Wahrscheinlichkeit ziemlich teuer versichert worden. Mehr als 50.000 Euro sollen als Prämie fällig gewesen sein. Diese Summe - nur um 8000 Euro größer als jene, die Marlies Schild und Marcel Hirscher jeweils für Slalomsiege in Zagreb einstreiften - hätte den Gesamtsieger immerhin geschmückt.

Der auch kommerziell für den Zirkus so wichtige sportliche Aufschwung der deutschen Skispringerei verpuffte ausgerechnet anlässlich des ersten Saisonhöhepunkts. "Leider ist der große Wurf nicht gelungen, weder im Tagesgeschäft noch in der Gesamtwertung", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Die beiden Spitzenleute des Österreichers, Richard Freitag und Severin Freund, seien "im Moment nicht konstant genug". Selbiges gilt für die Vorflieger der Tschechen (Roman Koudelka), Polen (Kamil Stoch) und Japaner (Daiki Ito). Die norwegische Mannschaft von Coach Alexander Stöckl brachte bis Bischofshofen zumindest Anders Bardal in Podestnähe, litt aber unter dem schweren Sturz Tom Hildes in Oberstdorf. Der Tournee-Dritte von 2011 könnte übrigens noch in dieser Saison ein Comeback geben, der 24-Jährige erlitt statt des erst diagnostizierten Bruchs nur einen Haarriss des achten Wirbels.

Primus der Flieger

An der fast schon erdrückenden Dominanz der Österreicher wird sich im weiteren Saisonverlauf nichts ändern, zumal die weiteren Saisonhöhepunkte - das Skifliegen am Kulm ab 12. Jänner und die Skiflug-WM in Vikersund ab 23. Februar - ganz auf den diesbezüglichen Primus Gregor Schlierenzauer zugeschnitten sind und sich Kofler und Thomas Morgenstern just in dieser Disziplin Besserung vorgenommen haben. Schlierenzauer hat die Hälfte seiner bisher 22 Skifliegen gewonnen und war 2008 in dieser Disziplin schon Weltmeister. (DER STANDARD Printausgabe, 7./8.1.2012)