Reinhard Christl: "Doch ein wenig" Mitleid mit Pelinka.

Foto: STANDARD/Newald

Das erste Opfer der Bestellung Niko Pelinkas zum Büroleiter des ORF-Generaldirektors ist: Niko Pelinka selbst. Der muss einem auf den ersten Blick nicht leidtun. Auf den zweiten aber vielleicht doch ein wenig:

Statt einem zwar nicht gnadenlos sympathischen, aber vifen und ehrgeizigen 25-Jährigen die Chance zu geben zu lernen, Erfahrungen zu sammeln, die Medien kennenzulernen, sich persönlich weiterzuentwickeln und verschiedene Ideen an sich heranzulassen, wird er zum SPÖ-Parteiapparatschik verbogen und verheizt. In einem Job, den er, egal wie intelligent er sein mag, mit seinen 25 Jahren nie und nimmer wirklich beherrschen kann.

In dem er deshalb immer nur als Parteisoldat, niemals als kompetenter Fachmann wahrgenommen werden wird. Und nach dem er lebenslang von einer Clique abhängig sein wird, die derzeit zwar mit Werner Faymann den Bundeskanzler stellt, die aber in ein paar Jahren vielleicht nur mehr eine Fußnote der Geschichte bilden wird.

Peter Pelinka als Opfer

Das zweite Opfer ist Peter Pelinka, Nikos Vater. Darf der weiterhin die sonntägliche Diskussionssendung Im Zentrum im ORF moderieren, der Sohn ihm vorher die Gäste aussuchen? Wenn journalistische Standards gelten, natürlich nicht.

Andererseits: Wenn er als Vater einigermaßen bei Trost ist, hat er seinem Sohn geraten, den Job nicht anzunehmen, kommt also völlig unschuldig zum Handkuss. Aber der 25-jährige Sohn tut natürlich nicht, was ihm der Vater rät, weil 25-Jährige fast immer das Gegenteil dessen tun, was Väter raten. Und weil er sich, berauscht von der vermeintlichen großen Karrierechance, der fatalen Konsequenzen seines neuen Jobs für sein späteres Leben nicht bewusst ist.

Noch Qualitätsjournalismus

Wirklich dramatisch steht es um das dritte Opfer, den Journalismus. Konkret: die Journalistinnen und Journalisten des ORF. Die überwiegende Mehrheit von ihnen leistet hervorragende Arbeit.

Der ORF ist eines der ganz wenigen Medienunternehmen des Landes, das sich, dank 580 Millionen Gebühren pro Jahr, personell ausreichend ausgestattete Redaktionen und damit seriösen Qualitätsjournalismus (noch) leisten kann. Und er ist das einzige Medium, das mit seinen Nachrichtensendungen und Magazinen politische Information auch in breite Bevölkerungsschichten trägt, die weder den STANDARD noch andere Qualitätszeitungen lesen.

Der ORF erfüllt seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Bürger mit seriöser politischer Information zu versorgen, von Ausrutschern abgesehen, im Vergleich etwa mit ARD und ZDF nicht schlecht.

Er ist dabei von der Politik viel unabhängiger, als die Diskussion um Niko Pelinka derzeit vermuten ließe; das zeigt nicht zuletzt die durchaus anständige und kritische Berichterstattung nach dessen Bestellung. Auch werden die wenigsten ORF-Redakteure sich von einem 25-Jährigen vorschreiben lassen, wie sie ihren Job zu machen haben.

Ein Fall Wrabetz/Faymann

Aber was sollen und können ORF-Redakteure jetzt tun im Falle Pelinka, der eigentlich ein Fall Wrabetz/Faymann ist? Anders gefragt: Ist es richtig, dass sie dagegen protestieren? Natürlich ja. Allerdings, und das ist das Fatale daran: Der ebenso notwendige wie legitime Protest, seit zwei Wochen öffentlich ausgetragen, untergräbt genau das, wofür die ORF-Redakteure kämpfen: ihren und den Ruf des ORF beim Publikum.

Denn was passiert, wenn die ORF-Journalisten weiter protestieren und Pelinka trotzdem im Wrabetz-Büro bleibt? Der ORF wird als SPÖ-geführter Parteisender wahrgenommen werden, gegen den die Journalisten nichts ausrichten können - auch wenn dem gar nicht so ist. Jeder Zeit im Bild-Beitrag, jede Report-Geschichte, in der oder in dem die SPÖ gut wegkommt, wird künftig im Verdacht stehen, von Pelinka beeinflusst oder bestellt worden zu sein. Was kann man in so einer Situation als ORF-Journalist machen? Verzweifeln, sonst nichts.

Auch der Ruf des ORF als objektive Informationsquelle, der sich in allen Umfragen noch weitgehend intakt zeigt, wird weiter leiden, wenn das Thema Pelinka und SPÖ-Einfluss im ORF en vogue bleibt. Die Bereitschaft, Gebühren zu zahlen, wird weiter abnehmen. Und in letzter Konsequenz könnten jene die Oberhand in der Diskussion gewinnen, die den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin abschaffen wollen. Mit dem Ergebnis, dass die größte Qualitätsjournalismusredaktion des Landes irgendwann auch zerstört wird. Denn ohne Gebühren, nur aus Werbung, ist diese keinen Tag finanzierbar.

Fazit, aus Sicht der ORF-Redakteure: Protestieren kann böse Kollateralschäden verursachen. Freilich: Nicht protestieren und sich alles gefallen lassen geht gar nicht.

Zum Schluss noch ein Szenenwechsel: Stellen wir uns kurz vor, Heinz-Christian Strache wird irgendwann Bundeskanzler und setzt einen FPÖ-Mann an Pelinkas Stelle. Mit welchen Argumenten wird die SPÖ dann dagegen protestieren? Mit welchen die ÖVP und die Grünen, die jetzt so überdeutlich schweigen zu dem ganzen Wahnsinn?

Mir fallen nicht überbordend viele ein. Aber was Heinz-Christian Strache sagen wird, das weiß ich jetzt schon. (DER STANDARD; Printausgabe, 7./8.1.2012)