"Es ist nie zu spät, von der klassischen Musik fasziniert zu werden." Tenor Michael Schade bricht eine Lanze für neue Angebote an ein neues Publikum.

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Zum Auftakt der neuen Solistenkonzerte an der Wiener Staatsoper singt  Schade am kommenden Dienstag Schuberts "Schöne Müllerin".  

Wien - "Das ist natürlich eine totale Ehre für mich", freut sich Michael Schade darüber, dass er sich nach unzähligen Auftritten an diesem Haus in der Wiener Staatsoper nun auch in der Rolle als Liedersänger präsentieren darf.

Zwar gilt er mit Recht als einer der bedeutendsten Operntenöre unserer Zeit - vor allem, aber bei weitem nicht nur mit Mozart-Partien. Doch daneben hat der 1965 geborene Deutschkanadier schon immer den größten Wert darauf gelegt, auch im Konzert- und Oratorienrepertoire sowie vor allem im Liedgesang Präsenz zu zeigen.

Eine Konkurrenz für die traditionellen Wiener Veranstalter von Liederabenden sieht Schade durch die neuen Solistenkonzerte an der Staatsoper nicht: "Das ist sicher kein Schaden für die wunderbaren Liedprogramme im Wiener Konzerthaus oder im Musikverein", meint er im Gespräch mit dem Standard.

"Es wird ja vor allem auch ein bestimmtes Publikum angesprochen, wenn die Lieblinge der Staatsoper auf der Bühne stehen. Deswegen verwendete ich vorhin auch das Wort 'Ehre', die es bedeutet, in dieser Form hier auftreten zu können."

Vielmehr erhofft sich der Sänger eher einen positiven Effekt für das Genre Lied an und für sich: "Da könnte schon ein gewisser Funke überspringen. Ich habe ja schon einige solche Liederabende in ganz großem Rahmen gesungen, und da war es ganz ähnlich. Dass der Saal groß ist, heißt ja nicht, dass die Veranstaltung weniger seriös wäre."

Lieder im Opernhaus zu singen ermöglicht allerdings schon eine ganz andere musikalische Perspektive: "Ich finde es gut, wenn Opernsänger auch einmal ganz stark ihre Seelenseite zeigen, und ich finde es sehr couragiert vom Haus, dass es diese Veranstaltungsreihe initiiert hat. Das ist einfach eine gute Idee, weil es etwas ganz anderes bietet als das, was man sonst in der Oper hört."

Bewusst hat er sich dafür entschieden, zu diesem Anlass mit Franz Schuberts Schöner Müllerin einen der großen zusammenhängenden Liederzyklen zu singen: "Es sollte kein bunter Abend sein, sondern ein möglichst intensives Ereignis."

Den Protagonisten der Müllerin sieht Schade nicht so sehr als den Psychomanen, als der er immer wieder interpretiert wurde, sondern als zunächst naiven Charakter, bei dem das Schicksal dann allerdings in aller Härte zuschlägt: "Der Müllersbursche ist ja zunächst einfach nur ein schwärmender Sonnyboy, der fasziniert ist von dieser Welt. Erst dann beginnt das Drama, als er merkt, was da eigentlich mit ihm passiert. Er hat eine Liebe, die Tochter des Meisters, die für ihn völlig unerreichbar ist."

Viel böse Musik

Für den Sänger war die Auseinandersetzung mit dem Stück ein langer Prozess: "Ich musste erst lernen, wie viel Tiefsinn überhaupt in diesen Liedern steckt. Da gibt es so viel energische, böse Musik. Das letzte der Lieder, Des Baches Wiegenlied, ist zwar das Schönste in der Welt, aber früher war es gang und gäbe, dass man den gesamten Zyklus einfach nur so schön wie möglich gesungen hat. Das Ganze war ein einziges Biedermeierbild."

Und das soll es nun überhaupt nicht werden, wenn sich der Tenor gemeinsam mit dem Pianisten Rudolf Buchbinder dem Zyklus annähert: "Es gibt hier eine irrsinnige Spannkraft an Emotionen; die Emotionen sind immer groß. Bei Schubert gibt es überhaupt keine kleinen Gefühle, auch nicht in den schlichtesten Liedern."

Die vielfach beschworene Gefahr, dass das Publikum für die Seelenkunst des Liedes irgendwann ausbleiben könnte, sieht Schade indessen nicht: "Man darf das Genre nicht totreden, und man darf sich nicht zu sehr verkaufen. Das ist eine große Verantwortung für Liedersänger. Natürlich ist man auch auf gute Ideen angewiesen. Gern singe ich zusammen mit verschiedenen Sängern oder mit Schauspielern, die Texte lesen. Man muss die Leute direkt ansprechen."

Ein allgemeines Anliegen hat der Sänger in diesem Zusammenhang auch: "Die Zukunft der Kunst liegt in der Generation im Alter der Universitätsstudenten. Vor allem die muss man erreichen. Allerdings ist es andererseits auch nie zu spät, von klassischer Musik fasziniert zu werden." (Daniel Ender / DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.1.2012)