"Kinski - Vermächtnis". Herausgegeben von Peter Geyer und OA Krimmel. € 49,90 / 400 Seiten. Verlag der Autoren, Edel 2011

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Mein liebster Feind nannte Werner Herzog das Filmporträt seines "partner in crime", des Schauspielers Klaus Kinski - nicht nur aufgrund der legendären Tobsuchtsanfälle, die den Mann mit dem lodernden Augen in einen Teufel verwandeln konnten, sondern aufgrund seiner hohen Ansprüche. Wer das Glück hatte, den 1991 im Alter von 65 Jahren jung verstorbenen Exzentriker bei einer seiner Lesungen zu erleben, gehörte womöglich selbst zum erlesenen Kreis jener, die Zeuge seiner Strahlkraft wurden - oder beschimpft worden sind. Tatsächlich war Kinski, Narziss, Egomane und Selbstinszenierungskünstler, einer jener Stars, bei denen die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Bild schwer auszumachen sind.

Der Band Kinski - Vermächtnis, zusammengestellt von Peter Geyer und OA Krimmel, tritt gegen die Summe aller Gerüchte an, die über Kinski im Umlauf waren, um einen Blick auf den "echten" Menschen dahinter zu erhaschen. Lyrik, Zeichnungen, Briefe (an sich selbst) und Fotografien Kinskis bilden dafür die Argumentationsgrundlage. Unter den Texten sind etwa in dritter Person verfasste Selbstbeschreibungen Kinskis nachzulesen, in denen er sich erfindet - als überhöhtes, von Kindheit an getriebenes Wesen - und mit denen er auch die Öffentlichkeit zu steuern lernt: "Verzeih mir, dass ich so lange nicht geschrieben habe, ich quäle mich sehr! Dieser Verbrecher vom Burgtheater drückt sich seit einem halben Jahr um den Vertrag, den er mir schuldig ist. (...) Meine Seele!!!!! Meine Seele ist krank!"

Auf den Fotografien dagegen ist ein konträres Bild zu entdecken: Kinski im Kreis seiner Lebenspartnerinnen als dekadenter Luxusmensch im Pelz oder, fragil, in Film-noir-Posen, die durch die Präsenz seines Sohnes Nikolai durchbrochen werden - er wird sein beständigster Begleiter. Vermächtnis ist aufgrund solcher Aufnahmen und etlicher interessanter Fragmente (etwa ein Filmprojekt über Vietnam) ein Band, der der Vielseitigkeit des Phänomens Kinski entspricht, ohne zur reinen Hagiographie zu werden.  (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Printausgabe, 7./8.1.2012)