Wien - Seit der Bekanntgabe, dass der SPÖ-Stiftungsrat Niko Pelinka (25), der maßgeblich die Wiederwahl von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Sommer mitorchestriert hatte, dessen Büroleiter werden soll, gehen die Wogen innerhalb und außerhalb des ORF hoch. Pelinka hat Wrabetz nach eigenen Angaben angeboten, seine Bewerbung zurückzuziehen, Wrabetz will jedoch daran festhalten und betont im Interview einmal mehr, er suche sich sein Personal selbst aus.

APA: Herr Generaldirektor, die geplante Besetzung Ihrer Büroleitung mit Niko Pelinka erregt die Gemüter. Sind sie wirklich "politisch erpresst" worden, wie etwa Armin Wolf behauptet?

Wrabetz: Erstens ich suche mir meinem Büroleiter wie alle meine Büromitarbeiter selber aus, habe keine politischen Gespräche dazu geführt und das auch nicht vor. Ich bin nicht politisch erpresst worden und werde mich auch nicht politisch erpressen lassen. Das weise ich ganz scharf zurück. In den letzten 14 Jahren meiner Tätigkeit im ORF ist immer wieder von verschiedenen Seiten erfolglos versucht worden, Druck auf mich auszuüben, in diesem Fall jedoch nicht. Ich habe aber auch in der Vergangenheit in anderen Fällen Leute gegen internen und externen Druck durchgesetzt. Auch solche, die mich jetzt kritisieren.

APA: Pelinka sagt, er habe Ihnen angeboten, seine Bewerbung zurückzuziehen. Sie hätten aber abgelehnt. Warum halten Sie eigentlich trotz des zweiwöchigen Proteststurms an ihm fest?

Wrabetz: Ich habe ihm aus guten Gründen das Angebot gemacht, in den ORF zu kommen. Jetzt gibt es alle Formen der Kritik von Personen, deren Sorgen ich berechtigterweise ernst nehme, aber auch von sehr vielen, die mit vorgeschobenen Argumenten etwas ganz anderes erreichen wollen, nämlich eine Schwächung des ORF. Ich werde das Ausschreibungsverfahren ganz normal durchführen, das soll formal alles richtig ablaufen und ich gehe auch davon aus, dass Niko Pelinka sich bewerben wird.

APA: Kritik hat vor allem das ungewöhnliche Timing hervorgerufen: Einen Tag vor Weihnachten wurde öffentlich mitgeteilt, Pelinka werde ihr Büroleiter, als die in diesem Fall vorgeschriebene Ausschreibung noch gar nicht veröffentlicht war. Warum dieser Zeitablauf?

Wrabetz: Bestimmen kann man es erst natürlich erst nach einem durchgeführten Ausschreibungsverfahren. Dass man aber vorher als Alleingeschäftsführer auch sagt, wen man will, halte ich für fair und transparent und auch durch das Gesetz gedeckt. Das ist keine Funktion, wo man danach auswählt, wer gerade die "Wiener Zeitung "aufgeschlagen hat. Da geht es insgesamt darum, wie ich meine Generaldirektion aufstellen will. Dazu muss ich schon einmal betonten, dass ich ohne Gegenstimme von 29 Stiftungsräten gewählt worden bin, und zwar von Vertretern aller Bundesländer, aller Parteien, allen Institutionsvertretern, den Betriebsräten, der Kirchen und den Vertretern der Industrie. Daher bin ich auch per Gesetz legitimiert und dazu angehalten, das Unternehmen zu führen und Entscheidungen zu treffen.

APA: Warum dann eigentlich eine Ausschreibung? Als lästige Pro Forma-Handlung bei einer Personalie, die ohnehin schon fix ist?

Wrabetz: Das Gesetz ist das Gesetz. Es dient vor allem der Transparenz kundzutun, wann wo welche Positionen besetzt werden. Das wird eingehalten, insbesondere in diesem Fall. In den letzten 20 Jahren ist man nie so vorgegangen. Ich wollte das von vornherein und hab daher am 23. Dezember veranlasst, dass die Ausschreibung erfolgt.

APA: Wann wird Pelinka also bei Ihnen anfangen?

Wrabetz: Mehr kann ich dazu nicht sagen, das wird formell ablaufen. Man wird sehen, wer sich beworben hat, und möglicherweise wird es ein Hearing der Gleichstellungsbeauftragten geben.

APA: Man hört, Niko Pelinka hätte in den ÖBB bereits im Sommer, also rund um ihre Wiederwahl, bekannt gemacht, dass er das Unternehmen verlasse. Wie lange ist denn der Jobwechsel zwischen Ihnen beiden schon ausgemacht?

Wrabetz: Einige Wochen sicher. Jedenfalls nicht im Sommer.

APA: Sind Sie eigentlich überrascht über die Heftigkeit der Kritik an dieser Personalie?

Wrabetz: Wir haben uns unter meiner Führung ein Ausmaß an Unabhängigkeit, an Streitkultur, Objektivität, Vielfalt und Bissigkeit von Comedy und Satire erarbeitet, die wir nicht gefährden wollen. Das ist ja auch das Tolle bei allen Stellungnahmen: Das attestiert man uns im Haus und von Außen. Daher verstehe ich nicht ganz, warum ausgerechnet ich, der das in nicht ganz einfachen Zeiten ermöglicht hat, in Frage stellen soll. Dass sich im Windschatten dieser ernstzunehmenden Fragen alle möglichen ORF-Gegner von privaten Mitbewerbern und diversen Medienhäusern dranhängen und gleich in Fleischhacker'scher Manier den ganzen ORF zerhacken wollen, das hat gar nichts damit zu tun. In Anbetracht dessen, was sich in der Welt abspielt, ist das Interesse ein bisschen unverhältnismäßig. Auf der anderen Seite gibt es wenige Generaldirektoren, für die so viele arbeiten wollen.

APA: Die ORF-Redakteure haben zu Massenbewerbungen aufgerufen, angeblich haben sich an die 3.000 Kandidaten gemeldet. Haben Sie schon die Bewerbungen gezählt?

Wrabetz: Das habe ich noch nicht abgefragt. Aber so viele sind es sicher nicht.

APA: In anderen Unternehmen blickt man derzeit wohl erstaunt auf den ORF, wo die Mitarbeiter so offen und öffentlich Kritik an einer Personalentscheidung direkt in der Generaldirektion üben. "ZiB 2"-Anchorman Armin Wolf, dessen Brandrede gegen ihre Vorgängerin Monika Lindner deren Abwahl eingeleitet hat, ist ebenfalls nicht um Wortmeldungen verlegen. Der Redakteursrat protestiert lautstark. Wie gehen Sie damit um?

Wrabetz: Jetzt werden wir mal dieses Verfahren ordentlich zu Ende bringen und dann wird schon wieder Ruhe einkehren. Es wird aber auch darum gehen, alle die, die sich äußern und innerhalb des Unternehmens zu Wort melden, in einen Diskussionsprozess einzubinden. Viele haben ja ernsthafte Anliegen und es kann nur guttun, wenn man das auch zeigt. Armin Wolf übrigens hat auch gesagt, dass die jetzige Situation das darstellt, wie er sich freies journalistisches Arbeiten vorstellt. Er hat aber eine Sorge hinsichtlich der Personalie. Ich kann nur erwidern, dass er sich die Sorgen unbegründet macht. Dass diese Dinge offen diskutiert werden, macht mich stolz.

APA: Es gibt ja diverse Gerüchte, die die Funktion ihres Büroleiters betreffen. Etwa, er habe Zugriff auf das Redaktionssystem oder alle Entscheidungen gingen über seinen Schreibtisch. In Ihren Worten: Was wird denn Niko Pelinkas Arbeit umfassen?

Wrabetz: Das ganze ist eine höchst interne Funktion und daher nichts, was man im Detail der Öffentlichkeit darlegt. Drei Dinge treffen aber sicher nicht zu. Es ist keine journalistische Funktion, die direkt oder indirekt auf journalistische Arbeit im Haus Einfluss hat. Es ist keine Personalfunktion, ich habe mit Dr. Scolik (Reinhard, Anm.) einen hervorragenden Personalchef, mit dem ich alle meine Personalagenden in bester Zusammenarbeit entwickle. Die große Machtposition mit geheimnisvollen Möglichkeiten ist es also ganz sicher nicht. Und meine Post bekomme ich selber auf den Schreibtisch, ich habe keine Filter. Die Hauptfunktion des Büroleiters, die in Anbetracht der großen Herausforderungen, die jetzt auf den ORF zukommen, sehr wichtig ist, ist ein ganz intensiver Kontakt mit Stiftungsrat und Publikumsrat, das ist ordentlich zu machen.

APA: Schließen Sie eigentlich aus, dass der Posten eines Generalsekretärs wieder eingeführt wird?

Wrabetz: Ich bin von der Funktion nie besonders angetan gewesen. Wenn es so wird, wie ich es mir vorstelle, sind wir in der Generaldirektion gut aufgestellt. Und in dem Sinne, dass ich mir jemand zur Seite stelle, der einen Teil meiner Exekutivfunktion übernimmt, schließe ich das absolut aus. Das Unternehmen leite ich als Alleingeschäftsführer mit den vom Gesetz vorgegeben und vom Stiftungsrat auf meinen Vorschlag hin bestellten Direktoren.

APA: Warum ist der Büroleiter als "Leitender Redakteur" der Gehaltsstufe 16 ausgeschrieben? ORF intern ist das ein Jobprofil für Leiter großer Redaktionen.

Wrabetz: In den vergangenen 20 Jahren sind alle Büroleiter des Generaldirektors mit der Gehaltsstufe 16 besetzt worden. Größere Geheimnisse verbergen sich nicht dahinter. Es ist damit keine Redaktionsleitung verbunden. Die Arbeitsbilder sind schon ein wenig alt und ich verstehe daher, dass man darüber diskutieren will. Soweit rückverfolgbar bis Anfang der 90er Jahre war die Stelle aber immer so besetzt. (Philipp Wilhelmer/APA)