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Es ist nicht möglich, zwei Herren zu dienen.

Foto: Archiv/STANDARD

Die letzte Auslandsreise des Papstes war leider von mehr Eigentümlichkeiten geprägt als in diesem Blog schon einmal berichtet (Papst: Scheuklappenerlass für afrikanische Bischöfe).

So glaubte Benedikt XVI. in seinem in Afrika abgelieferten Apostolischen Schreiben die Zölibatsverpflichtung für Priester so begründen zu müssen: "Christus lehrt uns, dass es nicht möglich ist, zwei Herren zu dienen (vgl. Mt 6,24). Gewiss bezieht er sich auf das Geld als jenen irdischen Schatz, der unser Herz beschäftigen kann (vgl. Lk 12,34), aber er nimmt ebenso Bezug auf die unzähligen anderen Güter, die wir besitzen: unser Leben, unsere Familie, unsere Erziehung, unsere persönlichen Beziehungen beispielsweise" (Africae Munus 112, Hervorhebungen durch den Autor).

Schon beim ersten Hinsehen wirkt es befremdlich: Der Papst ordnet die menschlichen Beziehungen der Welt des Besitzes zu. Welches Menschenbild steht da dahinter? Noch empörender wird es, wenn man die Sinnspitze der Bibelstellen genauer unter die Lupe nimmt: Das Zitat, man könne nicht zwei Herren dienen, mündet bekanntlich in dem Schlusssatz: "Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon" (ident bei Mt 6,24 und Lk16,13).

Mammon bedeutet in dem Zusammenhang nicht nur Geld und Besitz, sondern "erscheint hier", so heißt es in einem Bibelkommentar treffend, "wie ein Gegengott, eine Götze ...".* Dies entstammt nicht irgendeinem Kommentar. Dies kommt aus der Feder jenes Theologen, den Joseph Ratzinger als den "wohl bedeutendsten deutschsprachigen katholischen Exegeten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" bezeichnet.**

Man kann die Zölibatsworte des Pontifex daher nur so interpretieren: Eine Priesterehe würde nicht dem richtigen Herrn dienen. Steht denn das Ehesakrament in der Ordnung eines Gegengottes? Ehe als Götzendienst, das ist - mit Verlaub - schlechte Theologie.

Wenn man nun davon ausgeht, dass Benedikt XVI. nicht unter einem akuten Verfall an theologischer Kompetenz leidet, muss man annehmen, dass ein Ghostwriter Textbausteine für dieses Dokument geliefert hat. Das ist, obwohl der deutsche Papst vieles gern mit eigener Hand schreibt, bei der Menge an Reden und Erklärungen gar nicht anders vorstellbar. Diese für den römischen Oberoberhirten noch mildeste Interpretation nimmt ihm aber nichts von seiner persönlichen Verantwortung. Zudem ergeben sich dann noch zwei gravierende Probleme:

1. Es ist ein alarmierendes Zeichen für die schlechte inhaltliche Qualität seiner Zuarbeiter, für deren theologisches Niveau und deren Kirchenbild. In einem ausführlichen Gespräch mit dem Blog-Autor über aktuelle Kirchenprobleme meinte erst kürzlich ein österreichischer Bischof selbstkritisch, die Diözesen hätten nicht ausreichend darauf geachtet, gutes Personal nach Rom zu entsenden. Weil man egoistisch die regionale Kirche im Auge habe, überlasse man Rom anderen. Allmählich wird es auch den Bischöfen bewusst: Das Opus Dei, die Legionäre Christi und ähnliche innerkirchliche Sekten agieren da ganz anders ...

2. Der Papst ist - immer noch unter der Voraussetzung, dass er nicht selbst der Autor dieser Zeilen ist - nicht in der Lage, solche Entgleisungen zu korrigieren. Ob aus Überlastung oder Unaufmerksamkeit, spielt im Ergebnis dann keine Rolle mehr und ist nicht weniger alarmierend. Vielmehr ist es ein weiterer Beleg für die völlige Überfrachtung des Papstamtes (vgl.: Wie der Papst Gott auf die Probe stellt - ein Managementfiasko).

Weihesakrament und Ehe kann man jedenfalls nicht so plump gegeneinander ausspielen. Wäre es dem Papst ein Anliegen, seine Priester und Bischöfe von weltlichen Aufgaben freizuspielen, müsste er die Kirchenordnung allerdings in ganz anderer Hinsicht gravierend ändern: Die geweihten Amtsträger würden dann ausschließlich als geistliche Begleiter ihrer Gemeinden fungieren - nicht wie derzeit als autoritäre Führer in Fragen des Geldes, der Organisation und der Disziplin.

Tatsächlich haben sich die Pfarrer und Bischöfe im Tagesgeschäft häufig mehr mit Besitzfragen zu beschäftigen als Eltern einer Familie. Und der Papst könnte gleich mit gutem Beispiel vorangehen. Dass er als oberster Chef der Vatikanfinanzen selbst Richtlinien "über die Vorbeugung und Abwehr illegaler Aktivitäten im Bereich des Finanz- und Währungswesen" herausgeben musste, sollte ihn in geistlicher Hinsicht so beunruhigen, dass er rasch ein paar Mammon-Funktionen abgibt. Als Fundgrube für die Arbeit an der vom Papst empfohlenen Entweltlichung der Kirche wäre der Vatikan geradezu ein Paradies.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (derStandard.at, 9.1.2011)