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Betrug aus Profitgier auf Kosten hunderttausender Patientinnen: PIP-Chef Mas gab mittlerweile zu, den TÜV gezielt getäuscht zu haben.
Paris/London - Im Skandal um gesundheitsschädliche Billig-Brustimplantate raten deutsche MedizinerInnen den Patientinnen dazu, die Silikonkissen entfernen zu lassen. Die britische Regierung sah dagegen am Freitag keinen Anlass, den mehr als 40.000 Frauen, die Prothesen der französischen Firma PIP tragen, generell die Entfernung zu empfehlen. Auch die deutschen Behörden raten bisher lediglich, eine/n MedizinerIn aufzusuchen. Unterdessen werden die Rufe nach strengeren Zulassungsbestimmungen für Medizinprodukte in Europa lauter.
Starke Indikation zur Entfernung
In einer gemeinsamen Erklärung verwiesen Fachverbände von GynäkologInnen, plastischen und ästhetischen ChirurgInnen sowie ExpertInnen für Brustkrankheiten darauf, dass die PIP-Kissen beispielsweise bei Röntgenaufnahmen falsche Bilder erzeugen könnten. Außerdem müssten die Patientinnen, die die Einlagen behielten, mit dem Risiko eines erneuten komplizierten Eingriffs leben.
Nach Angaben des Berufsverbandes der Plastischen und Ästhetischen ChirurgInnen (DGPRÄC) gibt es auch Hinweise darauf, dass die Billig-Prothesen verstärkt "ausschwitzen" und damit Silikon durch die Hülle hindurch in den Körper abgeben. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, wäre "die Indikation zur Entfernung noch stärker gegeben", erklärte DGPRÄC-Präsident Peter Vogt.
Auch das tschechische Gesundheitsministerium riet den mehr als 2.000 Frauen, die PIP-Implantate tragen, zu einer Operation. In Frankreich hatten die Behörden bereits vor Weihnachten alle 30.000 betroffenen Frauen aufgefordert, sich die Prothesen entfernen zu lassen.
In Großbritannien, wo mehr als 40.000 Patientinnen mit PIP-Implantaten leben, sieht die Regierung dagegen keinen Grund zu einer solchen Maßnahme. Besorgte Frauen, die sich in einem staatlichen Krankenhaus behandeln ließen, könnten sich dort die Implantate aber kostenlos wieder entfernen lassen, teilte die Regierung mit.
Gezielte Täuschung
PIP-Gründer Jean-Claude Mas gab in einem Polizeiverhör zu, drei Viertel seiner Prothesen mit einem Billig-Gel gefüllt zu haben, das er mit einem für die Industrie bestimmten Silikon des deutschen Chemiegroßhändlers Brenntag zusammenmixte. Nur ein Viertel der Kissen habe das siebenmal teurere US-Produkt Nusil enthalten, das Mas auch gegenüber dem TÜV Rheinland angab. Der 72-Jährige räumte ein, den TÜV, der seine Kontrollen zehn Tage vorher ankündigte, gezielt getäuscht zu haben.
"Es war schon Routine, dass ich die Anweisung gab, alle Unterlagen zu verstecken, die einen Bezug zu dem nicht zugelassenen PIP-Gel hatten", sagte Mas, der seine Firma 2010 auflösen musste, laut dem von AFP veröffentlichten Protokoll. Seine Angestellten hätten sogar ganze Container verschwinden lassen. PIP hatte weltweit hunderttausende Brustimplantate verkauft. Die Billigkissen reißen verstärkt und rufen Entzündungen hervor.
Strengere Regeln auch für Implantate
Der neue Chef der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), Guido Rasi, fordert eine schärfere Regulierung nach dem Vorbild der Medikamenten-Regelungen. "Ich sehe die dringende Notwendigkeit, Medizinprodukte mit dem gleichen wissenschaftlichen Niveau und mit der gleichen Aufmerksamkeit zu regulieren wie Arzneimittel", sagte Rasi am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Mit raschen Änderungen der bestehenden Regulierungsverfahren für Medizinprodukte rechnet er aber nicht. "Es gibt Widerstand aus der Industrie und Widerstand einiger nationaler Behörden."
Anders als die US-Gesundheitsbehörde FDA ist die EMA nur für Arzneimittel zuständig, nicht aber für Medizinprodukte. Rasi zufolge wird aber die Abgrenzung zwischen beiden Kategorien immer schwieriger, da neuere Produkte wie Stents zur Weitung von Herzgefäßen auch mit Medikamenten beschichtetet sind. Daher müsse die EMA künftig auch über solche Grenzfälle wachen. Eine Ausweitung der Zuständigkeiten sei aber Sache der Politik. "Wir sind Beamte: Wir werden das tun, was man uns aufträgt." (APA/Reuters)