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Archäologin Sabine Ladstätter wurde zur "Wissenschafterin des Jahres 2011" gekürt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Der Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten hat die Archäologin Sabine Ladstätter (43) zu Österreichs "Wissenschafterin des Jahres 2011" gewählt. Die Auszeichnung wurde der Leiterin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) und der österreichischen Grabung in Ephesos (Türkei) am Montag in Wien überreicht.

Mit der Ehrung würdigen die Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten vor allem das Bemühen von Forschern, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen und damit das Image der österreichischen Forschung zu heben. Ladstätter betonte im Gespräch, sich durch die Auszeichnung in einem ihrer Ziele beim Amtsantritt bestätigt zu sehen: "Unsere Wissenschaft sichtbar zu machen und sie zu kommunizieren".

Großes Interesse

Das Interesse an Archäologie sei groß, wie die zwei Millionen Besucher pro Jahr bei der Ausgrabung in Ephesos zeigten. "Das ist kein Orchideenfach und keine Nischenwissenschaft", so Ladstätter. Österreich habe ihr "die Möglichkeit gegeben, einen Kindertraum in Erfüllung gehen zu lassen, und die Menschen dieses Landes haben auch dafür bezahlt". Mit ihrer Vermittlungsarbeit will sie "den Menschen etwas zurückgeben und ihnen erzählen, was wir hier machen". In der Archäologie sei das sicher einfacher als in anderen Wissenschaftssparten, "weil wir eine Bilderwissenschaft sind. Wir produzieren Bilder, und Bilder verkaufen sich in unserer visuellen Welt einfach gut."

Auch nach mehr als 100 Jahren österreichischer Grabungen in Ephesos ist die antike Metropole noch immer für Überraschungen gut, wie die Entdeckung eines riesigen antiken Baukomplexes mit mehreren Monumentalbauten im vergangenen Jahr gezeigt hat. "Es sind erst 15 Prozent der Stadt ausgegraben", betont Ladstätter, die auf die lange Siedlungsgeschichte der Stadt verweist. "Es gibt nicht ein Ephesos, wir forschen vom 7. Jahrtausend vor Christus bis zum 17. Jahrhundert nach Christus."

Hauptstadt Ephesos

Ephesos war eine der größten Städte der Antike, die Wissenschafter schätzen die Einwohnerzahl auf 200.000 im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. "Es war Hauptstadt der reichsten Provinz des Römischen Reiches, Asia, hatte unheimlich viel Hinterland, landwirtschaftliche Produktion, Handel, Handwerk, war die große Drehscheibe des östlichen Mittelmeerraums und in der Spätantike Bischofssitz und eines der bedeutendsten christlichen Pilgerheiligtümer für den heiligen Johannes, Maria und letztendlich auch für Paulus", so Ladstätter.

Biografie

Als Sabine Ladstätter, geboren am 22. November 1968 in Klagenfurt, bei einem Volksschulausflug zu den Ausgrabungen auf den Magdalensberg in Kärnten ihre Lehrerin fragte, wer denn hier arbeite, stand ihr Entschluss fest: "Archäologen? Das werde ich auch einmal." Sie verfolgte ihren Weg konsequent, schon als Schülerin nahm sie als Praktikantin an mehreren Grabungen teil. Ladstätter studierte an der Universität Graz Alte Geschichte und Altertumskunde sowie Klassische Archäologie und spezialisierte sich auf Wirtschaftsarchäologie, also die Rekonstruktion von antiker Wirtschaft, Gesellschaft, Handel, Gütertransfer, etc. Bereits ihre Dissertation im Fach Klassische Archäologie an der Uni Wien (1997) hat die Wissenschafterin zum Thema "Von Mediterraneum zur provincia Slaborum" geschrieben.

Von 1987 bis 1998 hat sie bei den Ausgrabungen am Kärntner Hemmaberg mitgearbeitet, ab 1992 als örtliche Grabungsleiterin. Seit 1995 ist die Mutter einer Tochter in Ephesos tätig und hat dort u.a. Keramikfunde aus dem Hanghaus 2 bearbeitet. Für die Publikation dieser Arbeiten wurde sie am Institut für Kulturgeschichte der Antike der Akademie der Wissenschaften ÖAW angestellt, dessen stellvertretende Direktorin sie ab 2001 war. 2007 habilitierte sich Ladstätter im Fachbereich Klassische Archäologie zum Thema "Studien zur ephesischen Keramik von späthellenistischer bis spätantiker Zeit".

Rekonstruktion von Handelsströmen

Antike Wirtschaft lässt sich laut Ladstätter am besten anhand von Keramik rekonstruieren, etwa Tafelgeschirr, das einer schnellen Mode unterworfen war und sich deshalb gut für Datierungen eignet. Auch der Inhalt von Amphoren, wie Weine oder Öle, dessen Herkunft mittlerweile leicht festgestellt werden kann, eignet sich gut zur Rekonstruktion von Handelsströmen. Wie man anhand von ein paar Keramikscherben Geschichte (um)schreiben kann, hat Ladstätter bei den berühmten Hanghäusern in Ephesos bewiesen. Die in den 1960er-Jahren entdeckten antiken Luxuswohnungen wurden lange Zeit in die Spätantike (4. bis 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung) datiert, erst Ladstätters Untersuchungen der in den Gebäuden gefundenen Keramik haben gezeigt, dass es sich um kaiserzeitliche Bauten aus dem 1. bis 3. Jahrhundert unserer Zeit handelt.

Hindernisse

Ladstätters Aufstieg war nicht frei von Hindernissen. Bereits 2007 wollte der damalige Wissenschaftsminister Johannes Hahn die Archäologin zur Leiterin der seit mehr als 100 Jahren bestehenden, renommierten österreichischen Grabung in Ephesos bestellen, stieß dabei aber auf Widerstand. Die türkische Seite, die regelmäßig die Grabungslizenz für das zuständige ÖAI erteilt, zweifelte an den Managementfähigkeiten Ladstätters und verweigerte die Zustimmung zur Bestellung. Hintergrund dürften massive interne Kämpfe um die prestigeträchtige Position gewesen sein. Hahn hielt allerdings an Ladstätter fest und setzte auf Überzeugungsarbeit. Ladstätter wurde zunächst stellvertretende Grabungsleiterin, übernahm 2009 die Leitung des ÖAI und 2010 schließlich - mit Zustimmung der Türkei - die Grabungsleitung in Ephesos.

Und dort gelang ihr in der Grabungskampagne 2011 ihr schönster Fund, wie sie selbst sagt: Völlig unerwartet stieß sie 2011 auf dem Areal des Domitianstempels im Zentrum von Ephesos auf ein spätantikes Mosaik. "Erst beim Freiputzen sind dann die figürlichen Darstellungen wie Fische und Fabelwesen aufgetaucht - da schlägt das Herz einfach höher", so Ladstätter.

Hintergrund

Die Auszeichnung "Wissenschafter des Jahres" haben bisher u. a. der Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal (2010), der Innsbrucker Experimentalphysiker Rudolf Grimm (2009), die Allergieforscherin Fatima Ferreira (2008), der inzwischen verstorbene Literaturwissenschafter Wendelin Schmidt-Dengler (2007), der Philosoph Konrad Paul Liessmann (2006), die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb (2005), der Mathematiker Rudolf Taschner (2004) und der Immunologe Josef Penninger (2003) erhalten. (APA)