Wien - Arbeiterkammer (AK) und Industriellenvereinigung (IV) treten nun gemeinsam für eine Totalreform der Familienförderung ein: Geld- und Steuerleistungen sollen zu einer einzigen "Familienbeihilfe Neu" zusammengeführt werden, zusätzlich soll es zweckgebundene Gutscheine und einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze geben, erklärten AK-Präsident Herbert Tumpel und IV-Präsident Veit Sorger am Montag bei einer Pressekonferenz. Das Modell soll den Ausbau der Betreuungsplätze beschleunigen, gleichzeitig aber Einsparungen von rund 100 Mio. Euro ermöglichen. Dass es dabei auch Verlierer geben könnte, wurde nicht in Abrede gestellt.

Vereinheitlichen und vereinfachen

Österreich liege mit den Ausgaben für Familien weit über dem OECD-Schnitt, trotz der hohen Kosten sei aber das Ergebnis in Hinblick auf Geburtenrate und Frauenbeschäftigung nicht entsprechend, erläuterte Sorger die Initiative. Auch seien die Familienleistungen sehr komplex, man wolle vereinheitlichen und vereinfachen.

210 Euro pro Kind und Monat

Das Konzept enthält drei Schwerpunkte: Zunächst sollen Geld- und Steuerleistungen zusammengeführt werden, an ihre Stelle soll - unabhängig von der Zahl und vom Alter der Kinder - eine einzige "Familienbeihilfe Neu" treten. Dazu zählen Familienbeihilfe (inkl. Schulstartgeld), Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag und Alleinerzieherabsetzbetrag (inkl. Kinderzuschläge). Für jedes Kind gibt es demnach 210 Euro pro Monat, Eltern von behinderten Kindern bekommen zusätzlich 140 Euro und Alleinerziehende 50 Euro monatlich. Kosten würde das laut Sorger 4,8 Mrd. Euro.

Gutscheinsystem

Dazu würden zweckgebundene, nicht übertragbare Gutscheine in der Höhe von 35 Euro monatlich pro Kind (zwölfmal im Jahr) bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres kommen, die gebündelt oder nach und nach eingelöst werden könnten - und zwar etwa für Kinderbetreuung, Nachmittagsbetreuung, Nachhilfe, Skikurse oder Musikausbildung. Bei etwa einer Million Anspruchsberechtigter käme man auf rund 420 Mio. Euro, so Sorger.

Rundumpaket für Kinderbetreuung

Durch Umschichtungen wollen AK und IV dann den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen rasch decken: Ziel sei eine Schaffung von 35.000 neuen Plätzen für Unter-Dreijährige binnen vier Jahren, die Erweiterung der Öffnungszeiten von weiteren 70.000 Plätzen und eine Verbesserung der pädagogischen Qualität.

Tumpel forderte 100 Mio. Euro mehr für die Kinderbetreuung - mit den derzeit von der Regierung zur Verfügung gestellten 15 Mio. erreiche man das Barcelona-Ziel (Versorgungsgrad mit Betreuungsplätzen für Unter-Dreijährige von mindestens 33 Prozent) erst 2025, mit dem vorgelegten Vorschlag wäre dies innerhalb von vier Jahren möglich. Durch den Ausbau könnten mehr als 10.000 Arbeitsplätze in der Kinderbetreuung selbst geschaffen werden, auch gäbe es positive Effekte auf die Frauen-Berufstätigkeit.

Kinderbetreuungsgeld: Längste Variante soll auslaufen

Um Gutscheine und Kinderbetreuungsausbau zu finanzieren, sollen laut AK weitere steuerliche Leistungen abgeschafft werden: Der Alleinverdienerabsetzbetrag (inklusive Kinderzuschläge), der Kinderfreibetrag und die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Mittelfristig auslaufen soll die längste Variante des Kinderbetreuungsgeldes.

Einsparungsvolumen von 100 Millionen Euro

Der Vorstoß sei nicht unmittelbar ein Beitrag zum Sparpaket, man habe schon länger daran gearbeitet - durch die neue Familienförderung würde laut Sorger aber ein Einsparungsvolumen von 100 Mio. Euro frei. Es entstünden keine Mehrkosten für das Budget, im Gegenteil, betonte auch Tumpel. Durch neue Arbeitsplätze und eine höhere Frauenbeschäftigung seien zusätzliche Einnahmen von 78 Mio. Euro zu erwarten.

Mögliche VerliererInnen

Gefragt, ob es auch Familien gebe, die durch das Modell verlieren würden, meinte Tumpel: Insgesamt könnte es rein rechnerisch bei bestimmten Bereichen zu möglichen Verlusten kommen, betroffen wären höhere Einkommen oder Familien mit mehr Kindern. Umgekehrt gäbe es höhere Leistungen im mittleren und niedrigen Bereich - zumindest bis zum 15. Lebensjahr. Nicht vergessen dürfe man aber das zusätzliche Arbeitseinkommen, das durch bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit möglich sei. Mit der Regierung über die Ideen verhandelt habe man noch nicht, erklärte Sorger. (APA)