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Bei der Vorwahl in New Hampshire am Dienstag werden Jon Huntsman nur geringe Chancen eingeräumt. Sein Antreten vergegenwärtigt aber den Zustand der Partei: Polarisierung bis zum bitteren Ende.

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Die schwach gefüllte Spendenkasse könnte Huntsman zum Verhängnis werden.

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In New Hampshire liegen die letzten Hoffnungen des moderaten Republikaners.

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Schwarze Lederjacke mit "Stars and Stripes"-Emblem, dunkle Sonnenbrillen, das graumelierte Haar akkurat gescheitelt: Solcherart gewandet begab sich Jon Huntsman, damals US-Botschafter in Peking, im Frühling auf eine Demonstration im Zentrum der chinesischen Hauptstadt. In Nordafrika war der Arabische Frühling in vollem Gang, und auch im Reich der Mitte schickten sich Wutbürger an, gegen das Regime auf die Straße zu gehen. Von Passanten gefilmt und auf seine Anwesenheit angesprochen, erwiderte Huntsman, der fließend Mandarin spricht: "Ich bin nur hier, um mich umzusehen."

Der so entstandene Videoclip gereichte der Führung zu hämischem Spott und als vorgeblicher Beweis für die subversiven Aktivitäten der US-Amerikaner in ihrem Land. Huntsmans Name war zwischenzeitlich in China nicht zu googeln. Für den 51-Jährigen war die Konfrontation mit der chinesischen Staatsmacht wohl nur die Feuertaufe für das, was im Wahlkampf der Republikaner ein Jahr später folgen sollte.

"Wie kann jemand Gegenkandidat zu (US-Präsident Barack, Anm.) Obama werden, der Teil von dessen Regierung war", fragte jüngst Mitt Romney, Führender in allen Umfragen, auf einer Wahlveranstaltung im Bundesstaat New Hampshire. "Du hast Obamas Politik in China umgesetzt, während wir hier dafür gekämpft haben, dass sie gestoppt wird." Da zeigte sich, dass der Good Guy auch böse sein kann.

Bittersüßes Lob von Obama

"Mitt Romney stellt die Politik über das Land. Genau diese Einstellung hat unsere Nation gespalten", schoss Jon Huntsman scharf gegen den republikanischen Primus. "Ich habe immer zuerst meinem Land gedient", sagte Huntsman, wie Romney Mormone, im Gegensatz zum Ex-Gouverneur von Massachusetts aber praktisch chancenlos, was die Kandidatur zur Präsidentschaft betrifft. Das weiß auch Präsident Obama: "Er hat immer sehr gut mit mir zusammengearbeitet, das wird sicher ein wichtiges Asset im Wahlkampf."

Sein jüngstes Manöver hat den 51-Jährigen aber zumindest vorerst zurück auf die politische Landkarte der zerstrittenen Republikaner gebracht. Laut einer Umfrage der Universität Suffolk wollen elf Prozent der Bürger New Hampshires für Huntsman stimmen, was für den dritten Platz hinter Romney und dem Libertären Ron Paul reichen würde. Als symptomatisch für den Zustand der Partei sollte sich die Schützenhilfe erweisen, die Ex-Parlamentssprecher Newt Gingrich dem bislang unauffälligen Huntsman erteilte. Romney handle engstirnig, ließ Gingrich ausrichten.

Dabei entspricht Huntsmans Biografie keineswegs der reinen konservativen Lehre, wie Leute wie Gingrich sie verstehen. Der gebürtige Nordkalifornier hält nichts von der Theorie des Intelligent Design, mit der sich etwa der erzkonservative Texaner Rick Perry die Entstehung der Erde erklärt. Die Mitschuld des Menschen an der Erderwärmung steht für ihn außer Frage, "haltet mich ruhig für verrückt".

Toleranter Mormone

Er selbst versteht sich weniger als religiös denn als "spirituell". Er sei zwar Mormone, speise seinen Glauben aber aus vielen Quellen, hat er dem Magazin "Newsweek" anvertraut. Der Vater von sieben Kindern, von denen eines in China und eines in Kambodscha adoptiert wurde, war von 2004 bis 2009 Gouverneur des Bundesstaats Utah, schaffte in dem konservativen Staat die Wiederwahl und hat dort seinen Ruf als Gottseibeiuns konservativer Republikaner gefestigt. So stimmte er eingetragenen Partnerschaften für Homosexuelle zu und unterstützte einen Emissionshandel zur Begrenzung der Treibhausgase. Vollends zum Feindbild der Ultrarechten wurde Huntsman 2009, als er dem Ruf des demokratischen US-Präsidenten Obama folgte und Botschafter Washingtons in China wurde - ein Job, für den er schon während der Amtszeit von Obamas Vorgänger George W. Bush im Gespräch war.

Die politische Metamorphose des Jon Huntsman, der in Redwood City nahe San Francisco in eine schwerreiche Industriellenfamilie geboren wurde, hat sich früh abgezeichnet. Als Teenager übersiedelte er mit seiner Familie nach Salt Lake City, dem Zentrum der Mormonen im US-Bundesstaat Utah. Mit 15 war er Eagle Scout, die höchste Auszeichnung, die amerikanischen Pfadfindern zuteilwerden kann. Wie unlängst in der TV-Sendung "Late Show with David Letterman" ruchbar wurde, spielte Huntsman Ende der Siebzigerjahre Keyboard in der lokalen Rockband Wizard, trug lange Haare und entsprach auch sonst nicht dem stromlinienförmigen Erscheinungsbild anderer junger Republikaner.

Im Dienste von vier Präsidenten

Das sollte sich freilich bald ändern. 1987 führte ihn das Schicksal zum ersten Mal nach Asien, wo er in Taiwan zwei Jahre lang als mormonischer Missionar arbeitete. Zurück in den USA heuerte Huntsman im Weißen Haus an und werkte als Assistent im Team der republikanischen Ikone Ronald Reagan, unter dessen Nachfolger George Bush senior wechselte er ins Handelsministerium, bevor er 1992 als jüngster US-Botschafter aller Zeiten Washington in Singapur vertrat. Während der Präsidentschaft des jüngeren Bush fungierte Huntsman als Handelsvertreter im Präsidentenstab. Als solcher setzte er Freihandelsabkommen mit asiatischen und afrikanischen Ländern in Gang und lobbyierte für den Beitritt Chinas und Taiwans zur Welthandelsorganisation (WTO). Mit seinem Amt als Botschafter in Peking unter Obama komplettierte Huntsman 2009 das Quartett an Präsidenten, in deren Dienst er sich stellte.

Ende Juli 2011 verkündete Huntsman, gestärkt durch seine Erfolge als Gouverneur von Utah und seine Erfahrungen in China, seine Kandidatur zur US-Präsidentschaft. Der Ort war mit Bedacht gewählt. In New Jersey nahe der Freiheitsstatue hatte weiland schon Ronald Reagan seinen Marsch durch die Institutionen begonnen.

Zur größten Hürde könnte für Huntsman - neben seinem demokratischen Stallgeruch - seine vergleichsweise mager gefüllte Wahlkampfkasse werden. 4,5 Millionen Dollar konnte er bisher sammeln, nur ein Siebentel von den Mitteln, über die Mitt Romney verfügt. Zwar schießt Vater Jon senior, Industriemagnat aus der Chemiebranche, laut Angaben der "New York Times" Gelder zu. Jon Huntsman, der einzig echte Moderate im Rennen, weiß aber, dass die Zeichen der Zeit gegen ihn stehen. (flon/derStandard.at, 9.1.2012)