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Hoffenheim-Manager Ernst Tanner: "Wir zwingen niemanden, zu uns zu kommen."

Foto: Reuters/Domanski

Wien - Nico Franke heißt der Bub, er ist 13 Jahre alt und soll ein äußerst begabter Fußballer sein. Er kickte daheim in Berlin bei Tennis Borussia, Scouts von Hoffenheim beobachteten ihn ausgiebig und unauffällig, engagierten ihn einfach weg. Nico bekam einen Ausbildungsvertrag beim deutschen Bundesligisten und kassiert vorerst 250 Euro pro Monat. Hoffenheim ist dem Vorwurf des Kinderhandels ausgesetzt.

Sogar Uefa-Präsident Michel Platini reagierte auf den Deal: "Ich bin grundsätzlich gegen Transfers von Minderjährigen. Aber in jedem Land gibt es Regeln, die sind zu respektieren." Hoffenheim ist quasi Wiederholungstäter, Hertha BSC erteilte den Scouts, die angeblich aggressiv abwerben, sogar Hausverbot. Ex-Trainer Markus Babbel: "Es geht nicht, dass Kinder aus ihrem Umfeld gerissen werden und weit weg ziehen. Wo bleibt die Moral?" Noch weiter weg zog übrigens der Japaner Takefusa Kubo. Von Yokohama nach Barcelona. Er ist zehn Jahre alt und wird bereits mit Lionel Messi verglichen. Messi war übrigens als 13-Jähriger von Argentinien nach Spanien ins Barcelona-Internat gekommen. Die Folgen dieser Entwurzelung waren marginal, aus dem heute 24-Jährigen wurde lediglich ein mittlerweile dreifacher Weltfußballer.

In Österreich ist die Lage durchaus überschaubar. Sagt Rudolf Novotny, der Geschäftsführer der Fußballergewerkschaft. "Wir sind da fast noch eine Insel. Trotzdem gehört dieses Thema sensibilisiert. Es wäre notwendig, dass der ÖFB eine Beratungsstelle installiert. Es sagt ja niemand den Eltern, was eigentlich gut für das Kind ist oder zumindest sein könnte. Ein Verband müsste sich stärker zur sozialen Verantwortung bekennen."

Die heimischen Klubs wildern nicht in fremden Revieren, die Akademie von Red Bull gilt hierzulande noch als die offensivste. Kinder aus anderen Kontinenten, Ländern und Kulturen sind generell ein Tabu. Novotny: "Red Bull holt keine kleinen Afrikaner nach Salzburg, sondern betreibt eine Akademie in Ghana."

Die rechtliche Lage ist in Österreich ziemlich klar. Profiverträge dürfen erst ab dem 18. Lebensjahr unterschrieben werden. Teamspieler Roman Wallner war erst 16, als er sich einst an Sturm Graz gebunden hatte. Das Pflegschaftsgericht erklärte den Kontrakt für ungültig, weil sittenwidrig.

Novotny betrachtet die Manager (natürlich nicht alle) als Hauptübel. "Sie kommen auf 15-Jährige zu, verdrehen ihnen die Köpfe, behaupten, dass woanders der Honig fließt." Sie machten, so der Gewerkschafter, falsche Versprechungen. "Die Buben glauben das, Eltern sind überfordert. Eigentlich gehören die Väter und Mütter auch beschützt. Die Kinder wollen ja eigentlich nur Bälle schießen. Es gibt mittlerweile junge Fußballer, die mehr Transfers als Einsätze hinter sich haben. Die Tatsche, dass ein Scheitern möglich ist, wird ignoriert."

Der kleine Charlie

Natürlich habe sich die Nachwuchsarbeit in den vergangenen Jahren geändert. Auch zum Positiven. Novotny: "Wohnte früher ein Bub in Wien-Hernals, ging er automatisch zum Sportklub. In Döbling zur Vienna, in Hütteldorf zu Rapid." Mittlerweile gibt es Akademien und Leistungsstützpunkte. "Sie bieten einiges, und Talente wollen dorthin. Aber die Distanzen sind zumutbar."

Charlie Jackson aus Manchester weint übrigens nicht mehr. Er hat sein Schicksal akzeptiert. Und dient seit Dezember brav Manchester United. Dabei ist er immer ein Fan des Lokalrivalen, der Citizens, gewesen. Aber United hat ihn verpflichtet. Charlie soll so gut wie Wayne Rooney sein. Oder noch viel besser. Charlie wird heuer sechs Jahre alt. (DER STANDARD, Printausgabe 11.1. 2012)