Das inkonsequente Krisenmanagement der EU hat der Europäischen Zentralbank (EZB) die Hauptlast bei der Bekämpfung der europäischen Finanzkrise aufgebürdet. Insbesondere die Attacke der Finanzmärkte im vergangenen Sommer gegen Italien konnte nur noch durch die kurzfristige Intervention der EZB abgewehrt werden, und hätte die Zentralbank nicht vor Jahreswechsel mit 489 Milliarden Euro die sich misstrauisch belauernden Banken mit neuem Geld geflutet, wäre die Europäische Finanzarchitektur schon längst zusammengebrochen. Es ist deshalb grundsätzlich gut, wenn Angela Merkel und Nicolas Sarkozy im engen Schulterschluss den nächsten Europäischen Rat vom 30. Januar vorbereiten, um endlich die EZB beim Krisenmanagement stärker zu entlasten. Doch die sich bisher abzeichnende strategische Linie wird auch mit dem von der Bundeskanzlerin in ihrer Neujahrsansprache geforderten "langen Atem" die Finanzkrise innerhalb der Euro-Zone nicht kurzfristig beruhigen und schon gar nicht längerfristig beenden.

Langes Bohren dicker Bretter

Die in der Politik richtige Parole vom "langen Atem" sollte nicht zum Persilschein für eine endlose Hängepartie halbherziger und dadurch unwirksamer Maßnahmen werden. Es ist richtig, dass die Korrektur der Schuldenpolitik in den Krisenländern und auch die notwendigen Kapitalmarktregulierungen frei nach Max Weber ein "langes Bohren dicker Bretter" erfordern. Aber das kurzfristige Krisenmanagement der Euro-Zone bei den unberechenbaren Attacken der Finanzmärkte setzt eine konsequentere Strategie und eine klare Botschaft für die Spekulation voraus, wenn das Krisenmanagement Europas doch noch funktionieren soll. Alle bisherigen Stützungstranchen, Sparauflagen, Interventionsfonds wie der EFSF und der noch nicht einsatzfähige Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), bis hin zu der jetzt avisierten Fiskalunion konnten und können die Angriffe der Finanzmärkte auf die Krisenländer nur zeitlich begrenzt abmildern, aber nicht wirksam genug stoppen. (Zudem stehen ESM und Fiskalunion als Beschlüsse immer noch nur auf dem Papier und sind noch lange nicht national ratifiziert.)

Zögern löst die Krise nicht

Auf Dauer wird sich aber - leider mit der Gefahr langfristig hoher Kosten - die Erkenntnis durchsetzen, dass die Attacken der Finanzmärkte gegen Mitgliedstaaten der Euro-Zone nur im Keim gestoppt werden können, wenn diese Euro-Zone entschlossen signalisiert, dass für sie jedes angegriffene Mitgliedsland eine uneingeschränkte finanzielle Einstandsgarantie abgibt und damit an den Finanzmärkten denjenigen ruinöse Verluste beschert, die mit wachsenden freien Anlagegeldern auf Baisse spekulieren. Diese konsequente finanzielle Garantie ist technisch mit der Einführung von Euro-Bonds machbar und vertretbar, was bei einer funktionsfähigen Fiskalunion - die ja nach dem Berliner Treffen auf gutem Weg sein soll - durch Krisenländer nicht finanzpolitisch missbraucht werden könnte. Und wenn die Spekulation weiß, dass sie sich überall in der Euro-Zone und darüber hinaus in der EU eine blutige Nase holt, wird sie erst gar nicht mit der bisherigen Aggressivität antreten. Ein dadurch finanziell reduziertes Krisenmanagement würde auch den europäischen Steuerzahler schonen. Merkozy als strategisches Führungsduo werden sich dieser konsequenten Strategie auf Dauer nicht verschließen können. Das weitere Hinauszögern notwendiger Entscheidungen im Stil der letzten eineinhalb Jahre wird die Finanzkrise nicht wirksam lösen, aber macht sie unendlich viel kostspieliger. Wer so zaudert, bürdet zudem die Hauptlast des kurzfristigen Krisenmanagements immer stärker der EZB auf und programmiert so ein schlummerndes, heute noch nicht virulentes, aber drohendes Inflationspotenzial. (Dieter Spöri, derStandard.at, 10.1.2012)