Farbe gibt es im Hillside Su Hotel im türkischen Antalya nur aus dem TV und aus künstlichen Lichtquellen. Es dominiert klinisches Weiß.

Foto: Hilside Su

Fazil Say hat kapituliert. Er sitzt unter dem Sonnendach am Pool des Hillside Su und blinzelt. Mit Kaffee und Zigarette versucht der Pianist und Komponist munter zu werden. "Man wird von der Sonne aufgeweckt", sagt der Intendant des Antalya Filmfestivals, aber er scheint resigniert zu haben. Die Nacht war kurz nach Eröffnungskonzert und Premierenfeier des Antalya Piano Festivals. "Ich mache alle Rollos zu, außen und innen. Aber du hast keine Chance."

Fazil hat recht. Das Hillside Su ist gnadenlos, Nachteulen und andere Langschläfer haben es schwer im weißen Riesen. Denn selbst an frühen Wintermorgen sind die über dem Meer aufblitzenden Sonnenstrahlen kraftvoll genug, um die Zimmer durch wenige Ritze zu erleuchten. Dann ist es vorbei mit Tiefschlaf - und klar, warum in dem schicken Hotelkasten Schlafmasken Standardausstattung sind.

Wer sich allerdings vom gleißenden Licht aufwecken lässt, wird belohnt. Denn auf dem ganz in Weiß gehaltenen Balkon strahlt ein Doppelbett mit dicken weißen Pölstern, auf dem sich die zwangsbeendete Nachtruhe gegen ein Sonnenbad tauschen lässt. Je höher die Sonne steigt, desto weniger Decke braucht der Morgenmuffel. Griffbereit sollte in dieser Art Wintergarten der Sinne nur die Sonnenbrille sein, denn zahlreiche Spiegel, Fensterscheiben, Wände und der weißlackierte Boden erzeugen eine Lichtintensität, die selbst bei geschlossenen Augen irritiert.

Turkish Delight

Aber noch brauchen wir die dunkle Brille nicht, wir wollen ja weiterschlafen auf der Matratze vor dem weißen Zimmer mit Aussicht, das - dem Himmel sei Dank - nur durch eine hüfthohe Glasscheibe einsehbar ist.

Unkonventionell wie das Morgenritual ist im Prinzip der ganze Hotelkomplex mit seinen fast 300 Zimmern. Die mit weißem Frottee bezogenen dicken, auf Betonsockeln liegenden schweren Matratzen sind übrigens die Haupteinrichtungsgegenstände. Mit riesigen Pölstern, gefüllt mit Kügelchen, die so gut wie jede Sitzposition erlauben, dienen sie als Sofas in der Lobby ebenso wie als Couch oder Doppelbett in der Suite oder als Sonnenliege am Meer. Möbel im herkömmlichen Sinn gibt es nicht, denn auch Schränke und Kästen sind in Wahrheit nicht mehr als Mauernischen, weiß wie Boden und Decke.

Universelle Einsamkeit

Gäbe es in der Filmtechnik eine White Box nach Vorbild der Blue Box, das Hillside Su zwischen türkischer Riviera und Taurusgebirge mit seinen verschneiten Gipfeln in zweitausend Metern Höhe wäre eine. Die Hotelgäste mit ihren weißen Bademänteln und Frotteepatscherln auf dem Weg ins unterirdische Spa mit Hamam und Swimmingpool könnten ihr Designer-Leben inszenieren, und die Angestellten mit ihren weißen Anzügen wären die Statisten. Für Farbe sorgen einzig blutrote Streifen an Revers und Turnschuhen - und die auf der Glasfront des Hotels auf fünf Stockwerken wie Zinnsoldaten aufgereihten Orangenbäumchen. Sie blicken freundlich in die riesige Lobby.

So richtig bunt wird es nachts, wenn sich der schwere Dunst der Braunkohle-Heizungen über Antalya senkt. Dann wird das Hillside Su im Dreißig-Sekunden-Takt in Farbe getaucht - von Blau über Violett, Gelb bis Rot - und hebt sich damit zumindest optisch von der winterlichen Tristesse der Hochburg des Pauschaltourismus ab. Die Lobby wird dann zur Disco-Halle, getaucht in Lichtspiele überdimensionaler Stroboskope.

Wodka, Whisky und Kondom

Das macht das Hillside Su zur idealen Kulisse für das jährliche Antalya Golden Orange Film Festival im Oktober, ehe sich Ende November die Musikwelt zum Antalya Piano Festival einfindet.

Was Prioritäten und Zielpublikum des Designhotels, das Hochzeitsreisende und junge Leute bis 29 mit Rabatten lockt, betrifft, sind die bereitgestellten Utensilien aufschlussreich: Wodka, Whisky und Kondom rangieren vor Findik (Haselnüsse), Fistik (Pistazien, Erdnüsse) und Wasser (Su). (Luise Ungerboeck/DER STANDARD/Printausgabe/07.01.2012)