Zumindest rechtlich kann der Rollstuhl beiseite geschoben werden: Arbeitnehmer dürfen den Behindertenstatus wieder ablegen.

Foto: DER STANDARD/Newald

Der Fall eines begünstigten Behinderten, der vier Jahre für die Streichung dieses Status kämpfte, stimmt nachdenklich: Wie nützlich kann der besondere Kündigungsschutz sein, wenn ein Betroffener nichts lieber will, als ihn loszuwerden? Und: Wieso lässt man ihn nicht einfach frei entscheiden?

Mit einer Behinderung von 70 Prozent gehörte der Mann dem Kreis der begünstigt Behinderten an. Nach sechs Jahren beantragte er, sich aus diesem Personenkreis wieder streichen zu lassen - obwohl sich am Grad seiner Beeinträchtigungen nichts geändert hatte. Er erläuterte, dass der Status als begünstigter Behinderter seine Arbeitssuche erheblich erschwere. (Nach damaliger Rechtslage war er schon nach sechs Monaten in einem neuen Arbeitsverhältnis quasi unkündbar.)

Weder das Bundessozialamt noch die Berufungsbehörde zeigten Verständnis. Denen kam es nur darauf an, ob das Gesetz einen Verzicht auf die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten vorsieht (was es nicht tut). Nur dann könne die Behörde dem Wunsch des Behinderten nachkommen. Also musste der Mann bis vor den Verwaltungsgerichtshof ziehen, wo er nach vier Jahren endlich recht bekam (VwGH 30.9.2011, 2009/11/0009):

Man kann verzichten

Die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Behinderten erfolgt im Interesse des Betroffenen und ist somit ein subjektivöffentliches Recht. Auf solche Rechte kann man verzichten, sofern dies ein Gesetz nicht ausdrücklich verbietet oder öffentlichen Interessen widerspricht. Aus Sicht des VwGH ist der Verzicht auf die Eigenschaft als begünstigter Behinderter sehr wohl möglich, eine Zwangsverpflichtung kann er dem Gesetz nicht entnehmen.

Dieses Erkenntnis hat nicht nur für jene, die bereits zum Kreis der begünstigt Behinderten zählen, Brisanz, sondern für die anderen, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, den Weg zum Bundessozialamt bisher aber gescheut haben - weil früher als Faktum galt: einmal begünstigt behindert, immer begünstigt behindert. Die Endgültigkeit dieser Eigenschaft schreckte manche von der Antragstellung ab - sei es, weil sie als Stigma empfunden wurde, oder weil sie tatsächlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Derlei braucht nun niemand mehr zu fürchten, da dieser Status jederzeit, auch bei Fortbestand der Beeinträchtigungen, wieder zurückgelegt werden kann.

Für jene, die wegen ihres fortgeschrittenen Alters Schwierigkeiten bei der Jobsuche haben, gibt das Erkenntnis hingegen nichts her: Ältere Arbeitnehmer sind zwar auch kündigungsgeschützt, doch ist ihr Recht auf Kündigungsanfechtung (wegen Sozialwidrigkeit) keines, das ihnen von einer Behörde verliehen wurde. Es stammt aus dem Arbeitsverfassungsgesetz, dessen Bestimmungen nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden können. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2012)