Italien hat mit der seit Jahren ungelösten Müllkrise in der Region Neapel gegen das Grundrecht der betroffenen Bevölkerung auf Schutz ihres Privatlebens verstoßen. Mit dieser Feststellung gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag 18 Klägern recht, die in der Gemeinde Somma Vesuviana leben oder arbeiten.

In der fraglichen Region sei von Februar 1994 bis Ende 2009 der Notstand ausgerufen gewesen, weil die Behörden es nicht geschafft hätten, die Müllentsorgung sicherzustellen, heißt es in dem Urteil. Im Laufe der Jahre seien mehrfach strafrechtliche Ermittlungen gegen Betreiber von Müllkippen, Verbrennungsanlagen und Müllverwertungsgesellschaften vorgenommen worden - unter anderem wegen Zusammenschlusses zu kriminellen Vereinigungen, Betrugs und illegalen Handels mit Abfällen.

Privatleben der Bevölkerung beeinträchtigt

Wegen der Versäumnisse der Behörden hätten sich immer wieder Berge von Abfällen an öffentlichen Plätzen angesammelt, stellte der Gerichtshof fest. Dies habe das Privatleben der Bevölkerung beeinträchtigt. Das Argument der italienischen Regierung, es handle sich um einen Fall von "höherer Gewalt", ließ der Straßburger Gerichtshof nicht gelten. Die Staaten seien verpflichtet, einen funktionierenden öffentlichen Dienst sicherzustellen - dies gelte ganz besonders für eine "gefährliche Aktivität" wie die Müllentsorgung.

Im vergangenen Juni hatte die EU-Kommission Italien wegen der ungelösten Müllkrise um Neapel mit Strafzahlungen gedroht. Da es keine Fortschritte bei der Behebung des Problems gebe, bleibe "keine andere Wahl", als ein 2007 begonnenes Strafverfahren fortzusetzen, sagte EU-Umweltkommissar Janez Potocnik. Kurz zuvor war die italienische Armee ausgerückt, um die süditalienische Stadt von ihren Müllbergen zu befreien.

Die Bewohner Neapels und der umliegenden Region Kampanien klagen seit Jahren über die ungenügende Entsorgung ihrer Abfälle. Die Stadt bekommt ihr Müllproblem nicht in den Griff, Deponien und Wiederaufbereitungsanlagen sind überlastet. Zudem wehren sich zahlreiche Anrainer gegen die weitere Nutzung oder Vergrößerung der überfüllten Deponien. (APA)