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Andrea Kuntzl über Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle: "Er ist im persönlichen Umgang ein sympathischer Mensch. Was mich enttäuscht, ist, dass er so sehr ÖVP-Parteisoldat ist, dass er sehenden Auges die Universitäten in sehr schwierige Situationen manövriert. Wie zum Beispiel jetzt durch diese eigentlich politische Trotzhaltung, was die Reparatur des Studiengebührengesetzes betrifft."

Foto: APA/Fohringer

Eines ist fix: Andrea Kuntzl zählt nicht zu der "schweigenden Mehrheit" in der SPÖ, die sich laut Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller für Studiengebühren ausspricht. Die SPÖ-Wissenschaftssprecherin übt im Interview mit derStandard.at scharfe Kritik an der ÖVP und Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle, die verhindert hätten, dass das Studiengebühren-Gesetz repariert wurde, obwohl der Verfassungsgerichtshof das verlangt hatte. Kuntzl spricht sich für das Wintersemester für die Beibehaltung der jetzigen Regelung aus, wonach nur Drittstaatenangehörige und Studenten, die länger als die Mindeststudienzeit studieren, Gebühren zahlen. Sie erwartet jedoch mangels Rechtssicherheit eine Klagsflut und Rückforderungen von Gebühren.

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derStandard.at: Die Universitäten werden im Sommersemester keine Studiengebühren einheben, weil das Gesetz dazu ausläuft. Sind Sie zufrieden?

Kuntzl: Wir haben dem Wissenschaftsministerium, also der ÖVP, sofort nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes angeboten, das bestehende Gesetz zu reparieren. Wir haben aber zur Antwort bekommen, dass ein Gesetz, das gegen die Stimmen der ÖVP beschlossen wurde, nicht repariert wird. Wir sind noch immer bereit, hier Rechtssicherheit zu schaffen, leider ist Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle entschlossen, mit der Brechstange die Universitäten zu zwingen, Studiengebühren einzuheben.

derStandard.at: Warum schaffen Sie nicht Rechtssicherheit, indem Sie mit dem Wissenschaftsminister über sein Studiengebührenmodell verhandeln?

Kuntzl: Wir haben mit der ÖVP sehr lange in den Koalitionsverhandlungen über Studiengebühren geredet, und es muss der ÖVP klar sein, dass die SPÖ Studiengebühren nicht zustimmen wird. Das ist nicht Teil des Koalitionsabkommens. Wir sehen keine Notwendigkeit, das zu ändern. 

Es geht jetzt um 35 Millionen Euro, die entfallen. Ich unterstütze die Forderung der Universitäten sehr, dass das Wissenschaftsministerium diesen entfallenen Betrag den Universitäten zur Verfügung stellen soll. Das Wissenschaftsministerium verfügt ganz offensichtlich über beträchtliche Rücklagen. Die Mittel wären da. Die sollen den Universitäten zur Verfügung gestellt werden.

derStandard.at: Falls sich die Koalition nicht auf eine neue Studiengebühren-Regelung einigt, wollen die Universitäten ab dem Wintersemester 2012 selbst Gebühren in der jetzigen Form - also nur von Drittstaatenangehörigen und Studenten, die länger als die Mindeststudienzeit studieren - einheben. Was halten Sie davon?

Kuntzl: Nachdem die Universitäten das in der Form einheben wollen, wie das das jetzige Gesetz vorgeschrieben hat, haben wir noch einmal den Versuch unternommen, in diesem Sinne Rechtssicherheit zu schaffen. Ich bedaure, dass es nicht dazu gekommen ist, weil das zu einer Klagsflut führen wird. Die ÖH hat das bereits angekündigt. Das bedeutet, dass eventuell Studiengebühren rückerstattet werden müssen, und zusätzlichen administrativen Aufwand, Prozesskosten. Das hätten wir den Unis gerne erspart.

derStandard.at: Die SPÖ ist nicht so eindeutig gegen Studiengebühren, wie Sie das dargestellt haben. Die Studiengebühren für Drittstaatenangehörige und Studierende, die für ihr Studium länger brauchen, als das die Mindeststudienzeit vorsieht, würden weiter bestehen, wenn das Gesetz repariert wird.

Kuntzl: Die Position ist schon eindeutig. Wir stehen zu der jetzigen gesetzlichen Regelung, die einen Kompromiss darstellt, der damals mit den Grünen und den Freiheitlichen gefunden wurde. Zu dieser Lösung stehen wir. In diesem Sinne hätten wir das Gesetz repariert, da geht es nur um technische Details und um keine grundsätzlichen Änderungen.

derStandard.at: Was sagen Sie dazu, dass Kanzler Werner Faymann gesagt hat, man könne Modelle prüfen, solange nur keine Hürden für Studierende aus wirtschaftlich schwachen Familien eingeführt werden?

Kuntzl: Es gibt bei uns die Meinung, dass man sich anschauen sollte, ob man über Studiengebühren quasi eine Umverteilung herstellen kann: einerseits Studiengebühren einnehmen und andererseits die Unterstützung für Studierende so verbessern, dass mehr Studierende eine höhere Unterstützung bekämen als jetzt. Wir haben das analysiert. Das ist letztlich nicht machbar.

derStandard.at: Das heißt, diese Überlegungen von Kanzler Faymann dazu wurden überprüft und abgelehnt?

Kuntzl: Es gibt unterschiedlichste Vorschläge, es gibt auch den Vorschlag einer Solidarabgabe von Akademikern von Peter Kaiser (SPÖ Kärnten, Anm.). Der deshalb entstanden ist, weil man nach Möglichkeiten sucht, wie man in budgetär schwierigen Zeiten zusätzliche Mittel für die Universitäten aufstellen kann, ohne beim Eingang zum Studium Hürden zu schaffen. Es werden verschiedenste Vorschläge gemacht und durchgedacht.

derStandard.at: Neben dem Vorschlag von Peter Kaiser gibt es auch die Meinung der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die sich immer wieder für Studiengebühren ausspricht. Es gibt auch von anderen Personen innerhalb der SPÖ immer wieder Zurufe zu diesem Thema. Warum hören diese Personen nicht auf Sie und Ihre Meinung zu Studiengebühren?

Kuntzl: Ich vertrete den gültigen Parteitagsbeschluss. Die Stellungnahmen von Bundeskanzler Faymann, Bundesgeschäftsführerin Rudas, Klubobmann Cap und Unterrichtsministerin Schmied gehen auch alle in diese Richtung. Wir vertreten die Position, dass wir das, was wir vor der Wahl versprochen haben, auch nach der Wahl halten. Das entspricht der gültigen Parteibeschlusslage.

derStandard.at: Können Sie sich vorstellen, dass dieser Beschluss auf einem Parteitag geändert wird und es dann eine Mehrheit in der SPÖ für Studiengebühren gibt?

Kuntzl: Aus heutiger Sicht kann ich mir das nicht vorstellen.

derStandard.at: Die aktuelle Situation ist die, dass die SPÖ gegen Studiengebühren ist und die ÖVP für Studiengebühren. Die Unis wissen nicht, was tun. Die finanzielle Lage ist angespannt und einige Studiengänge sind weiterhin überlaufen. Die Situation an den Unis ist schlecht und es geht nichts weiter. Was soll jetzt passieren?

Kuntzl: Ich halte für ganz wichtig, dass den Universitäten in den kommenden Jahren eine Milliarde mehr zur Verfügung gestellt wird. Die Universitäten leiden immer noch darunter, dass damals unter der schwarz-blauen Regierung die Budgets abgesenkt worden sind und dann erst langsam, stufenweise wieder die alte Höhe erreicht haben. Damals hat man vom "Aushungern" der Universitäten gesprochen. Die Auswirkung dieser Politik spürt man jetzt. Deswegen war es dringend notwendig, den Universitäten hier mehr finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

derStandard.at: Die Universitäten sagen, das Geld reicht nicht, und wollen selbst Studiengebühren einheben. Warum sprechen Sie Ihnen diesen Wunsch ab?

Kuntzl: Wenn ich mit den Rektoren rede, ist ihnen wichtig, dass sie die finanziellen Mittel bekommen. Ob die über Studiengebühren kommen oder anders, ist für die Rektoren nicht zentral. Sie sagen, dass es die Entscheidung der Politik ist, wie diese Mittel aufgestellt werden. Ich verstehe hier nicht ganz, dass die ÖVP es zu einem zentralen Thema macht, eine Bildungssteuer einzuheben, die vor allem Mittelstandsfamilien betreffen würde. Ich bekenne mich dazu, dass die Universitäten mehr Geld brauchen. Dieses Geld sollte aber aus einem fairen Steuersystem kommen, wo eben die, die mehr haben, mehr einzahlen. Hochschulen sind wie andere Bildungseinrichtungen eine wichtige Infrastruktur, die der Staat zur Verfügung zu stellen hat, und aus staatlichen Mitteln zu finanzieren.

derStandard.at: Haben Sie eine Idee, wie die Koalition den Konflikt bei den Studiengebühren lösen könnte?

Kuntzl: Mein Angebot an die ÖVP wäre gewesen, das derzeitige Gesetz zu reparieren.

derStandard.at: Aber das wird ja nicht passieren.

Kuntzl: Ja, aber dann müssen Sie Minister Töchterle fragen, wie er die fehlenden 35 Millionen Euro für die Universitäten aufstellen will. Es geht offensichtlich darum, aus rein parteitaktischen Gründen die Universitäten in Rechtsunsicherheit zu manövrieren. Das halte ich politisch für ziemlich verantwortungslos.

derStandard.at: Wissenschaftsminister Töchterle ist derzeit dabei, einen Hochschulplan auszuarbeiten. Was halten Sie von den bisherigen Vorschlägen?

Kuntzl: Die Entwürfe, die ich kenne, die in den Medien durchgesickert sind, sind für uns sehr enttäuschend. Der Hochschulplan steht seit fünf Jahren im Koalitionsabkommen, weil es uns sehr wichtig war, dass man eine fundierte Analyse über den österreichischen Hochschulraum macht und auf deren Basis die entsprechenden strategischen Entscheidungen trifft. Was derzeit vorliegt, ist eine ziemlich oberflächliche Zusammenstellung von Puzzleteilen aus schon vorhandenen Dokumenten.

derStandard.at: Töchterle ist im April ein Jahr Wissenschaftsminister. Was ziehen Sie bisher für eine Bilanz aus seiner Tätigkeit?

Kuntzl: Er ist im persönlichen Umgang ein sympathischer Mensch. Was mich enttäuscht, ist, dass er so sehr ÖVP-Parteisoldat ist, dass er sehenden Auges die Universitäten in sehr schwierige Situationen manövriert. Wie zum Beispiel jetzt durch diese eigentlich politische Trotzhaltung, was die Reparatur des Studiengebührengesetzes betrifft. (Lisa Aigner, derStandard.at, 11.1.2012)