Wien - Wieder ein Erfolg für den STANDARD beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Unter dem Titel In Haiders Hypo ermittelt jetzt auch die Justiz schrieben Elisabeth Steiner und Renate Graber im April 2006 über Verluste der Hypo-Alpe-Adria-Bank durch Spekulationsgeschäfte im Jahr 2004. In diesem Artikel wurde der Name des damaligen Leiters der Treasury-Abteilung, Christian R., genannt.

Dieser klagte wegen Verletzung seines Identitätsschutzes. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) gab ihm recht, nachdem das Landesgericht Wien zuvor noch seinen Antrag abgewiesen hatte. DER STANDARD wurde zur Zahlung einer Entschädigung von 5000 Euro und zum Kostenersatz verurteilt.

Dagegen brachte DER STANDARD, vertreten durch Rechtsanwältin Dr.in Maria Windhager, eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit ein.

Nach Ansicht des OLG Wien sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels kein Interesse der Öffentlichkeit an seiner Identität gegeben gewesen, zumal die damalige Verdachtslage noch nicht weit fortgeschritten gewesen sei.

Dagegen sprach, dass angesichts der Gesamtschadenssumme von 328 Millionen und der Tatsache, dass das Land Kärnten über die Landesholding zu 45 Prozent an der Bank beteiligt war - und damit auch Steuergelder betroffen waren -, doch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der identifizierenden Berichterstattung gegeben war, zumal R. in einer leitenden Position tätig war. Die Namensnennung und die Bezugnahme auf die Tatsache, dass R. der Sohn des früheren SPÖ-Finanzlandesrates ist, erfolgte schließlich, um die Gefahr von politischen Umfärbeaktionen durch die FPÖ-Landesregierung im Rahmen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Landesbank aufzuzeigen. Der EGMR folgt in seinem Urteil vom 10. Jänner 2012 der Argumentation des STANDARD. R. sei zwar keine "public figure". Auch die Tatsache, dass sein Vater Politiker war, mache ihn nicht zu einer Person des öffentlichen Interesses.

Ein wichtiger Faktor sei aber auch die Frage, welchen Beitrag der infrage stehende Artikel in den Medien auf eine Debatte von generellem Interesse geleistet habe. Hier handle es sich nicht um eine typische Gerichtsberichterstattung, sondern hauptsächlich um eine Auseinandersetzung mit der politischen Dimension eines Bankskandals und der Vernetzung von Politik und Bankwirtschaft im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit für die enormen Verluste der Bank.

Der EGMR bezweifelt, dass über diesen Fall verständlich berichtet hätte werden können, ohne die Namen der Beteiligten zu nennen, und stellte daher eine Verletzung von Artikel 10 Menschenrechtskonvention fest. Die Republik Österreich muss nun die Verfahrenskosten und die geleistete Entschädigung ersetzen. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2012)