Noch lassen Jörg Haider und seine Getreuen die Koalition zappeln, ob ihnen die 121 Seiten dicke Abänderung der Pensionsreform reicht. Noch spielen die Kärntner Pensionsreformrebellen damit, den Beschluss der Pensionspläne platzen zu lassen. Aber selbst wenn es Kanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt gelingt, die Widerstände in den eigenen Reihen zu befrieden und die Pensionsreform absegnen zu lassen - das Streitthema Pensionen wird die schwarz-blaue Koalition weiter wackeln lassen. Denn die Auseinandersetzung um die Harmonisierung beginnt erst.

Bisher hat die Regierung dazu nicht mehr als eine vage Absichtserklärung vorgelegt, dass die Harmonisierung 2004 beginnen soll. Diese Verschiebung beruhigt zwar einen Teil von Schüssels Klientel, weil alle Experten davon ausgehen, dass Beamte und Bauern zu den Hauptverlierern einer Angleichung der Pensionssysteme zählen.

Gerecht ist die Vertagung nicht, wie ein paar Zahlen zeigen: Die durchschnittliche ASVG-Pension liegt bei 1270, die höchste ASVG-Pension bei 2360 Euro. Durchschnittliche Beamte lassen sich ihren Ruhestand hingegen mit 2580 Euro versüßen, Spitzenpensionisten wie Sektionschefs mit weit über 6000 Euro. Diese große Pensionsschere zwischen ASVG- und Beamtensystem führt dazu, dass der Staat für die zehn Prozent Beamtenpensionisten genauso viel zuschießen muss wie für die 90 Prozent ASVG-Pensionisten, Tendenz: steigend.

Diese Zahlen lassen nicht nur die FPÖ, sondern auch alle Sozialexperten seit Jahren die Harmonisierung einfordern. Mit mindestens derselben Verve verweist der schwarze Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer seit Jahren auf "wohlerworbene Rechte" und niedrige Einstiegsgehälter der Beamten. Neugebauer hat schon Recht: Wer sich vor 30 Jahren für den Arbeitgeber Staat entschied, wurde von seinen Schulkollegen wegen seines niedrigen Gehalts ausgelacht. Spätestens im Ruhestand lachen allerdings die Beamten.

Die Beendigung des beidseitigen Gelächters ist überfällig - kostet den Finanzminister aber ein paar Jahrzehnte lang Geld. Denn eine Harmonisierung, die Beamtenpensionsprivilegien beendet, aber nicht zu Beamtenhatz führt, muss mit höheren Anfangsgehältern für die Staatsdiener einhergehen. 700 bis 800 Millionen Euro kostet die Harmonisierung nach den Berechnungen Neugebauers in der Übergangszeit, in der alte hohe Pensionen und neue höhere Gehälter zu zahlen sind - mehr Geld, als die Kürzungen bei den ASVG-Pensionisten bringen. Solche Millionenbeträge sind der Stoff, aus dem Koalitionskonflikte sind.

Konflikte, die durch die Schirmherrschaft der Landeshauptleute über ihre Landes-und Gemeindebeamten nicht kleiner werden. Gegen die Sondersysteme mancher Länder wirkt das Ruhestandsmodell für Bundesbeamte nachgerade mickrig - jede Harmonisierung ohne Länderebene ist nur ein halber Schritt. Dazu kommen Details, die eine Angleichung vertrackt machen: Beamte haben keine Höchstgrenze für ihre Pensionsbeiträge und ihre Pensionen, ASVG-Versicherte schon. Spezialsysteme wie in der Sozialversicherung verkomplizieren die Sache zusätzlich.

Details wie diese sind vergleichsweise vernachlässigbar - gegenüber dem prinzipiellen Effekt der Harmonisierung: Der wird dem Staat langfristig viel Geld und für Beamte Einschnitte bringen. Ist doch das ASVG-System großteils durch Beiträge gedeckt, das Beamtensystem hingegen großteils nicht. Ohne Kürzungen für die Staatsdiener wird die Angleichung der Pensionssysteme nicht funktionieren. Die überproportionale Beteiligung der Beamten an den Streiks hat schon jetzt deutlich gemacht: Leicht werden die Staatsdiener diese bittere Pille nicht schlucken.

Das ist vor allem ein politisches Problem der ÖVP. Denn der FPÖ ist der Klientelschutz der Beamten kein Anliegen, im Gegenteil: Mit Attacken gegen echte und vermeintliche Privilegien hat sie schon immer gern Politik gemacht. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2003)