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Die Lebensmittelfirma Oetker beschäftigt sich mit ihrer dunklen Vergangenheit.

Foto: AP/Martin Meissner

Bielefeld - Der deutsche Oetker-Konzern lässt seine Geschichte im Nationalsozialismus wissenschaftlich aufarbeiten. Der Forschungsauftrag an die Universität Augsburg werde seit 2009 umgesetzt und ende im Juli, sagte Konzernsprecher Jörg Schillinger am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Er bestätigte damit einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (SZ; Dienstag-Ausgabe). Die Ergebnisse würden voraussichtlich 2013 veröffentlicht. Sensationelle Enthüllungen seien nicht zu erwarten, betonte Schillinger. Das Nahrungsmittelunternehmen Oetker sei nicht kriegswichtig gewesen und habe kaum Zwangsarbeiter gehabt.

Ähnlich äußerte sich der Projektleiter Professor Andreas Wirsching. Der Historiker, seit 2011 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, sagte der Zeitung, das Firmenarchiv sei uneingeschränkt zugänglich gewesen. Das Unternehmen bewegte sich nach seinen Worten "im Mainstream dessen, was Unternehmen im NS-Staat getan haben". Anders ausgedrückt: Das Bielefelder Unternehmen passte sich an und versuchte ohne Berührungsängste, die Chancen zu nutzen, die sich aus der politischen Situation ergaben.

Leiter des Unternehmens war in diesen Jahren Richard Kaselowsky, der die Witwe des 1916 im Ersten Weltkrieg gefallenen Rudolf Oetker geheiratet hatte. Beide starben 1944 bei einem alliierten Bombenangriff in Bielefeld. Damals war Rudolf-August Oetker (1916-2007) ein junger Mann und Kaselowsky für ihn wie ein Vater, der das Unternehmen weiter ausgebaut hatte. So lässt sich seine Abneigung erklären, die NS-Geschichte aufarbeiten zu lassen.

Was bisher über das Bielefelder Unternehmen in diesen Jahren bekannt war, hat zu wesentlichen Teilen der Autor Rüdiger Jungbluth zusammengetragen. Der musste bei seinen Recherchen noch ohne die Oetker-Archive auskommen. Dessen Buch "Die Oetkers" (2006) beschreibt Kaselowsky als Unternehmer, der sich ohne Probleme in den neuen nationalsozialistischen Kreisen bewegte.

Wie Jungbluth schreibt, trat Kaselowsky 1933 der NSDAP bei. Später gehörte er zu einem exklusiven Zirkel von Unternehmern, dem "Freundeskreis des Reichsführers SS", Heinrich Himmler. Der sammelte eifrig Spenden und auch Kaselowsky habe zweimal 40.000 Reichsmark aus der Firmenkasse überwiesen. Zudem habe er als Aufsichtsratschef des zu Oetker gehörenden Druck- und Verlagshauses E. Gundlach AG dafür gesorgt, dass die florierenden "Westfälischen Neuesten Nachrichten" in die Hand der Nationalsozialisten kamen. Die NSDAP habe sich dankbar gezeigt und dem Verlag später umfangreiche Druckaufträge erteilt, schrieb Jungbluth.

In dem Zeitungsbericht nannte Wirsching den Sinneswandel im Hause Oetker, die eigene Geschichte nun endlich erforschen zu lassen, einen "Paradigmenwechsel". Dieser sei ermöglicht worden "durch die Erkenntnis, dass ein offener Umgang mit der Vergangenheit eher im Interesse des Unternehmens ist, als wenn man sich dagegen sperrt". (APA)