In einer 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern soll erneut (wie schon 2008 bis 2010) die "verpflichtende frühe sprachliche Förderung" von Kindergartenkindern umgesetzt werden. Dabei geht es um den Einsatz jener fünf Millionen Euro, die Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) seiner Parteikollegin Maria Fekter "abverhandelt" hat, nachdem sie zuvor dem Bildungsministerium gestrichen worden waren.

25 Euro pro Kind

Nun, nicht gerade eine große Summe: Bei über 200.000 Kindern, die österreichische Kindergärten besuchen, macht das gerade einmal etwa 25 Euro pro Kind für Sprachstandsfeststellung und Sprachfördermaßnahmen. Aber es gibt noch eine Reihe anderer kritikwürdiger Punkte.

Der Bund verpflichtet sich u. a., die Lehrpläne für die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen weiterzuentwickeln, eine an sich lobenswerte Maßnahme, die allerdings nicht im Zeitraum der Vereinbarung (2012 bis 2014) im erforderlichen Umfang wirksam werden wird, weil ab Herbst 2012 bereits mit der Sprachförderung begonnen werden soll. Und: Sprachliche Förderung heißt hier, wie so oft, Förderung von Deutschkenntnissen, ohne die Mehrsprachigkeit vieler Kinder zu berücksichtigen.

Wie sieht diese Deutschförderung aus? Der sogenannte "Sprachstand" - ausschließlich in Deutsch - der Kinder wird mit einem z. B. vom BIFIE entwickelten Instrument erhoben - bei zu wenigen Punkten wird dem Kind spätestens im Jahr vor Schulbeginn Sprachförderung nach einem jeweils vom Land zu erstellenden Konzept erteilt. Danach wird der Sprachstand wieder überprüft und eine "Wirkungskennzahl" errechnet. Wenn dann nicht mehr Punkte herauskommen, hat die Förderung versagt, so die Schlussfolgerung! Bei (angekündigten) Vor-Ort-Monitoringbesuchen des Österreichischen Integrationsfonds in den Kindergärten soll dann stichprobenartig festgestellt werden, ob die Bundesgelder auch widmungsgemäß, also "deutschförderlich" verwendet werden. Ist dem nicht so, müssen die Länder bereits überwiesene Bundesmittel zurückzahlen!

Skepsis in mehreren Punkten

Zunächst ist Skepsis dem ÖIF gegenüber geboten: In den letzten acht Jahren wurden die Maßnahmen der Integrationsvereinbarung nicht wissenschaftlich evaluiert. Und dann ist der Druck, der damit auf das Personal und natürlich besonders auf die Kinder ausgeübt wird, enorm. Wie will man Sprachförderung beobachten und bewerten, wenn diese - wie in der Vereinbarung vorgesehen - "auf integrative und spielerische Weise" stattfindet? So war die oftmals von ExpertInnen eingeforderte Evaluierung von Maßnahmen nicht gemeint.

Weiters: Die sprachliche Entwicklung ist ein langer und vor allem nicht linear verlaufender Prozess, der von vielen Faktoren abhängt - die intensive positive Spracherfahrung hat dabei einen gewichtigen Anteil. Durch den erzeugten Erfolgsdruck auf die PädagogInnen ist allerdings zu befürchten, dass die Fördermaßnahmen allein auf sprachliche Richtigkeit abzielen und dabei wesentliche kommunikative Aspekte außer Acht lassen.

"Problemfall" mehrsprachige Kinder?

Und Sprachförderung muss auf die Förderung aller Sprachen abzielen, denn eine altersgemäße Sprachentwicklung in der oder den Familiensprachen und eine Stärkung der sprachlichen Identität sind eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb weiterer Sprachen, also u. a. der Unterrichtssprache Deutsch.

Im vom Charlotte Bühler Institut verfassten Bildungsplan, auf den sich die 15a-Vereinbarung beruft, wird festgestellt, dass mehrsprachiges bzw. Personal mit Migrationserfahrung in Bildungseinrichtungen angestrebt werden soll. Der Einsatz von sogenannten "Interkulturellen MitarbeiterInnen", wie es sie z. B. in Niederösterreich schon lange gibt, wäre ein mögliches Modell.

Und schließlich kann die spezielle Förderung der deutschen Sprachkenntnisse nicht nach einigen Monaten im Kindergarten als abgeschlossen abgehakt werden. Auch bei einsprachig deutsch aufwachsenden Kindern endet die sprachliche Entwicklung ja nicht mit dem Schuleintritt. Das Ziel der 15a-Vereinbarung, die als "Problemfall" wahrgenommenen mehrsprachigen Kinder schon vor der Volksschule ein für alle Mal auf ein "nach einheitlichen Deutschstandards" (die noch dazu u. a. vom Innenministerium (!) erarbeitet werden sollen) festgelegtes Niveau zu bringen, ist weit von jeder pädagogischen und linguistischen Realität entfernt. (Margit Doubek, derStandard.at, 11.1.2012)