Tobias Oswald will die Hochglanzmagazine von Condé Nast Deutschland auch in der digitalen Welt als Benchmark etablieren - direkte Konkurrenz gibt es seiner Meinung nach derzeit nicht.

Foto: Condé Nast 2012

Tobias Oswald, Geschäftsführer von Condé Nast Digital Deutschland, feilt seit knapp zwei Jahren an der digitalen Poleposition für die Online-Magazine vogue.de, gq.de, ad-magazin.de, glamour.de, myself.de und style.de. derStandard.at erzählte er über die Relaunch-Deadline 2012, wie sich Bloggerin Julia Knolle als vogue.de-Redaktionsleiterin macht und warum Qualität auch bei Social Media zählt.

derStandard.at: Condé Nast Deutschland hat 2011 die Bloggerin Julia Knolle zur Redaktionsleiterin von "Vogue Digital" bestellt. Hat sich diese Entscheidung bewährt?

Tobias Oswald: Julia Knolle, die den Modeblog LesMads gegründet hat, macht als Redaktionsleiterin einen exzellenten Job. Sie versteht die Marke und die Print-Perspektive genauso wie die Erfordernisse der Online-Welt. Letztendlich ist das persönliche Kompetenzprofil ausschlaggebend, um in einer integrierten Struktur einen guten Job machen zu können. Hundert Prozent Qualifikation für Print-Editorial, Online-Editorial, SEO, Social Media, Technologiebelange sowie Sales-Implikationen gibt es natürlich bei niemandem, aber jeder, der in unserem digitalen Führungsteam mitarbeitet, hat die Aufgabe, aus der ganzheitlichen Perspektive heraus zu handeln, sodass wir das bestmögliche Produkt am Start haben.

derStandard.at: Sie sind seit eineinhalb Jahren Digitalchef bei Condé Nast. Was hat Sie an dieser Position gereizt?

Oswald: Ich war vorher zehn Jahre für das Online-Geschäft bei ProSiebenSat.1 verantwortlich. Wir haben in dieser Zeit eines der meistbeachteten Internetunternehmen der deutschen Medienlandschaft aufgebaut und waren sehr erfolgreich, insbesondere unter Haim Saban. Als die Gruppe dann an Venture Capitalists ging, haben sich die Vorzeichen geändert, und es wurde teilweise schwierig, weitere Aufbauinvestitionen zu bekommen. Bei Condé Nast ist das Tolle, dass jedes Engagement dem Kernwert des Unternehmens, "Obsession with Quality", folgt und der nachhaltige Aufbau von Marken und hochwertigen Produkten bei allen Entscheidungen im Vordergrund steht.

derStandard.at: Was bedeutet der digitale Umbruch für die Magazinwelt?

Oswald: Die Herausforderung ist es, den jahrzehntelangen Erfolg der Brand-DNA aus der Print-Magazinwelt mit ihren monatlichen Zyklen in die schnelllebige Online-Welt zu übersetzen. Bei einem Monatsmagazin ist es eben möglich, dass der Grafikdesigner eine Nacht über ein bestimmtes Layout schlafen kann und der Textchef einen Text, der noch nicht sitzt, zweimal liest. Der Rezipient spürt beim Lesen, wie viel Handwerkskunst und Liebe in dem Produkt steckt. Wenn wir online zu einem aktuellen Thema publizieren, ist das ein anderer Workflow. Gleichzeitig dürfen wir auf keinen Fall schludrig sein, weil wir sonst der Marke nicht gerecht werden.

derStandard.at: Wie wird das in der Praxis gelebt?

Oswald: Wir haben bereits drei unserer Brand-Websites auf Basis einer neu entwickelten technologischen Umgebung und eines neuen Content-Management-Systems gerelauncht und die Qualitätsschraube deutlich angezogen. Bis April 2012 sollen alle unsere Websites State of the Art und markenkonform live sein. Daneben steht eine ganze Reihe von Mobile- und App-Projekten an. Unsere Entwickler sitzen gemeinsam in einem Stockwerk und sind in Projektteams organisiert, die zusätzlich von Freelancern unterstützt werden.

derStandard.at: Arbeiten die Online- und Printredaktionen bei Condé Nast Deutschland eng zusammen?

Oswald: Bis vor zwei Jahren haben beide Bereiche weitgehend autark gearbeitet, sowohl redaktionell als auch vermarktungsseitig. 2010 wurden die Salesbereiche integriert, was sehr gut funktioniert. Auch im Redaktionellen nähern wir uns einer besseren Vernetzung und Integration an. Die Online-Redaktionen sind in Markenteams organisiert, die entweder schon direkt in der jeweiligen Printredaktion sitzen oder eng angebunden sind. So profitieren wir vom guten Informationsfluss und sind viel früher in Themenplanung und -entwicklung involviert. Die Leiter der Online-Redaktionen berichten aber nach wie vor an mich, sodass wir das digitale Geschäft und damit einhergehende Entwicklungen erfolgreich weiterführen können.

derStandard.at: In vielen Verlagen stehen die Redakteure neuen Newsroom-Konzepten skeptisch gegenüber.

Oswald: Grundsätzlich haben viele Menschen zunächst Angst vor Veränderungen, das gab es sicher auch bei uns. Wir sind aber in der glücklichen Position, dass wir Stellen aufbauen und nicht streichen. Eine integrierte Redaktion verlangt vom Online-Team, sich noch tiefergehender mit den Inhalten zu befassen und gleichzeitig die Schlagzahl nicht zu verringern. Wichtig ist, dass sich die Printkollegen für digitale Belange öffnen und im Gegenzug die Digitalkollegen ein bisschen Respekt vor den etablierten Printkollegen ablegen.

derStandard.at: Wie wird Social Media in der Redaktion gehandhabt?

Oswald: Facebook steht im Mittelpunkt unserer Social-Media-Aktivitäten, aber auch Twitter spielt eine Rolle. Facebook entwickelt sich für einen Teil unserer User zu einer eigenständigen sozialen Realität, in deren Newsfeed wir eine Rolle spielen wollen. Deshalb liegt hier eine Priorität, und wir profitieren jetzt schon von wachsenden Reichweiten und vom Feedback unserer Fans. Auch bei Social Media kommt unsere Ambition aus der qualitativen Perspektive, wir müssen nicht unbedingt die Ersten sein.

derStandard.at: Zeitigt der Vormarsch von Social Media Auswirkungen auf die Online-Communitys?

Oswald: Glamour.de hat eine große, stabile Community, die schon in der Zeit vor Facebook und MySpace ihren Ursprung hat. Bei den anderen Titeln läuft die Interaktion vor allem über Facebook. Auf der gq.de-Website, die Ende November gelauncht wurde, gibt es beispielsweise ein Facebook-Kommentarfeld unter jedem Artikel.

derStandard.at: Welche Rolle spielt Bewegtbild?

Oswald: Bewegtbild ist für uns ein integraler Bestandteil der Websites und Apps sowie ein Content-Mehrwert für unsere Vermarktungsspecials. Für unsere hochqualitativen Videoinhalte arbeiten wir mit freien Produzenten zusammen, wobei immer ein Redakteur von uns mit dabei ist, um inhaltlich die Linie vorzugeben und die Qualität sicherzustellen. Zusätzlich betreiben wir auch YouTube-Channels für Vogue, GQ und Glamour.

derStandard.at: Ist ein baldiger Einstieg in den E-Commerce geplant?

Oswald: In Sachen E-Commerce wird sicher noch etwas von uns kommen. Offensichtlich gibt es auf Userseite die Erwartung, Produkte, die online gezeigt werden, auch kaufen zu können. Unsere Kernaufgabe ist es aber, die redaktionelle Unabhängigkeit zu wahren. Da darf es keine missverständliche Vermischung geben.

derStandard.at: Welche Position vertreten Sie in der Diskussion um die "Klickwährung"?

Oswald: Condé Nast lebt in dem Luxus, sich nicht an der Klickwährung orientieren zu müssen. Unsere Media-Brands bieten ein kraft- und qualitätsvolles Umfeld, um Consumer-Brands zu inszenieren. Von daher sind wir der Diskussion etwas enthoben. In der Regel vermarkten wir Festplatzierungen auf exklusiven Segmenten, haben natürlich klassisches TKP-Geschäft, aber keinerlei Restplatzvermarktung. Unser Anliegen ist es, die positiven Erfahrung mit Print-Anzeigen, die sich ästhetisch in den redaktionellen Inhalt einfügen, auch digital zu etablieren.

derStandard.at: Wie sieht die Bilanz für das Geschäftsjahr 2011 aus?

Oswald: 2011 konnten wir unsere Pläne deutlich übertreffen, was sicher auch an dem Erfolg der integrierten Vermarktung liegt. Wir stehen bei Ad-Sales knapp 60 Prozent über dem Vorjahr. Für 2012 wird man sehen, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entwickeln, aber grundsätzlich zahlt sich der eingeschlagene Weg schon jetzt aus. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 13.1.2012)