Sofia - Die Internetseite "dveri.bg" berichtete am Mittwoch, dass die bulgarisch-orthodoxe Kirche erstmals öffentliche Maßnahmen gegen Schwangerschaftsabbrüche unternimmt. Die Bischöfe bestellen dafür eigens einen Videoclip. Die orthodoxe Kirche, zu der sich in Bulgarien über 80 Prozent der BürgerInnen bekennen, will eine "breite Kampagne" gegen Abtreibung starten, ist dem Metropoliten von Lowetsch, Gawrill, zu entnehmen. Im Video soll ein Embryo im Mutterleib gezeigt werden.

Laut dem Bischof soll das Video in Kirchen, Schulen und Gemeinden ausgestrahlt werden. Auch die Möglichkeit den Film ins Fernsehen zu bringen, wird diskutiert. Er unterstreicht, dass nach der Lehre der Orthodoxie wie auch der katholischen Kirche ein vollkommenes menschliches Lebewesen mit Seele gleich mit der Zeugung entsteht und daher nicht abgetrieben werden dürfe. Das unterscheide sich von jener Sicht, die einen Fötus als menschliches Lebewesen erst ab der 13. Schwangerschaftswoche anerkenne und vorher nur als Embryo, der abgetrieben werden könnte, bezeichne, erklärte Bischof Gawriil.

Die wissenschaftliche Embryologie unterscheidet zwischen dem Embryo, dessen Körperteile und Organe noch nicht voll ausgebildet sind, und dem Fötus, bei dem dies bereits der Fall ist. Medizinisch wird das ungeborene Kind ab der 10. Schwangerschaftswoche als Fötus bezeichnet.

Ablenkungsmanöver?

In ersten Kommentaren wird den Bischöfen vorgeworfen, mit dem gesellschaftlichen Reizthema Abtreibung das öffentliche Interesse von den eigenen Problemen ablenken zu wollen, nachdem zum Ende des Jahres 2010 die bulgarische Bischofskonferenz (Heiliger Synod) Verschiedenes versucht hatte, um die Vergangenheit der Bischöfe vor einer Untersuchung der Staatskommission zur Durchleuchtung der Akten des kommunistischen Geheimdienstes zu bewahren.

Ähnliche Entwicklung in Polen

Auch in Polen wurde im Herbst 2011 Stimmung gegen Schwangerschaftsabbrüche gemacht. Eine Abstimmung im Parlament konnte das Verbot nur mit knapper Mehrheit verhindern. Zur parlamentarischen Abstimmung ist es gekommen, weil ein Bürgerkomitee rund eine halbe Million Unterschriften für einen Gesetzesentwurf einbrachte. Ziel der Initiative war ein Verbot auch bei bei schweren Missbildungen des Fötus, nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für die Gesundheit oder das Leben der Mutter. Unterstützung erhielt die Initiative durch die katholische Bischofskonferenz. 

Die Regelung in Polen gehört zu den restriktivsten in Europa. Dort ist es lediglich nach einer Vergewaltigung, bei schwerer Behinderung des Fötus oder bei einer Bedrohung der Gesundheit oder des Lebens der Mutter möglich, einen legalen Abbruch vorzunehmen. Die Förderation für Frauen und Familienplanung schätzt, dass in Polen pro Jahr bis zu 190.000 illegale Abtreibungen vorgenommen werden. Legale Eingriffe sollen nach offiziellen Statistiken bei 500 pro Jahr liegen. In Bulgarien hingegen sind Abbrüche bis zur 12. Schwangerschaftswoche legal. Im Schnitt werden rund 50.000 pro Jahr durchgeführt. (red/APA)