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Das Prognosegeschäft ist ein schwieriges. Was in Zukunft passieren wird, lässt sich allenfalls anhand von gegebenen Daten und Wahrscheinlichkeiten hochrechnen. Was dann aber wirklich kommt, weiß man erst im Nachhinein genau. Folgerichtig lädt am Mittwoch Raiffeisen International gemeinsam mit der Investmenttochter Raiffeisen Centrobank zum Ausblick auf das Aktienjahr 2012 in Zentral- und Osteuropa (CEE) ein. Nicht ohne zuvor daran zu erinnern, dass sich 2011 zum "annus horribilis" entwickelt habe, obwohl man Anfang des Jahres doch recht froh in die Zukunft geblickt hatte.

Aber zurück zu 2012. Der Ausblick aus das laufende Jahr ist laut Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research, weiter durch die anhaltenden Sorgen rund um die europäische Schuldenkrise getrübt. Dem könnten sich auch die CEE-Länder nicht entziehen und spiegelten so die Instabilität der Eurozone wider.

Im Zentrum stehen werde sicherlich die Frage nach der Zukunft Ungarns. Brezinschek sieht Potenzial in der "politischen Kehrtwende" des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Dieser habe sich am Wochenende von seiner "ignoranten Politik" verabschiedet und sei der EU entgegengekommen. Brezinschek verweist auch auf die Gespräche Ungarns mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), die diese Woche ihren Anfang nahmen. 

Isolation

Ungarn ist derzeit nicht nur außenpolitisch isoliert, sondern auch von einer Staatspleite bedroht. Die für das Land besorgniserregende Entwicklung ist eine Folge der aggressiven Wirtschaftspolitik der Regierung Orban. Unter anderem hatte diese - gegen den ausdrücklichen Rat von IWF und EU - die Unabhängigkeit der Notenbank durch eine Gesetzesnovelle stark eingeschränkt. 

Schon seit November bemüht sich Ungarn um einen neuen Kredit des IWF und der EU. Die beiden Institutionen wollten aber keine offiziellen Verhandlungen aufnehmen, solange die Regierung Orban nicht ihre umstrittene Politik ändert. Bis zum vergangenen Wochenende war aus Ungarn kaum Bereitschaft zu einem Richtungswechsel vernehmbar. Nun habe sich die Lage geändert, glaubt Brezinschek. Auch am Anleihenmarkt sei die Kehrtwende Orbans mit sinkenden Renditen für ungarische Staatsanleihen angekommen.

Ungarn ist nicht Griechenland

"Ungarn ist nicht mit Griechenland vergleichbar", gibt Brezinschek zu bedenken. Österreichs Nachbar im Osten sei weitaus wettbewerbsfähiger und habe auch alle Voraussetzungen, die 77-prozentige Staatsverschuldung (gemessen am BIP) in den Griff zu bekommen. Dafür werde das Land Strukturreformen brauchen und vor allem deren Umsetzung. Nicht zuletzt daran scheitere es in Griechenland, denn: "Griechenland ist Ankündigungs-Weltmeister und Ausführungs-Hausmeister."

Für den gesamten CEE-Bereich gehen die Analysten der Raiffeisen von einem durchschnittlichen BIP-Wachstum von zwei Prozent im Jahr 2012 aus. Tschechien, die Slowakei, Slowenien und auch Ungarn sowie Südosteuropa würden dabei stärker unter den engen Handelsbeziehungen zur Eurozone leiden, das Wirtschaftswachstum hier nur um die 0,5 Prozent betragen. Brezinschek schränkt aber ein, dass vor allem das erste Halbjahr 2012 ein schwieriges werde. In der zweiten Jahreshälfte könne es durchaus wieder stärker bergauf gehen. Als Grund nennt er die anstehenden Entscheidungen in puncto Schuldenkrise: So würden der Eurogipfel Ende Jänner und die für Ende März angekündigten Pläne zur Fiskalunion zur Feuerprobe für die zukünftige Entwicklung werden. Gebe es weiterhin keine klaren Lösungen, könne auch 2012 zu einem schwierigen Jahr werden.

Auch für die Aktienmärkte in der Region CEE plus Österreich würden die kommenden drei Monate zur Nagelprobe werden. 2011 sei ein wenig ruhmreiches Jahr für Österreichs Börse gewesen, Wien ist mit der roten Laterne und einem ATX-Jahresminus von 35 Prozent Spitzenreiter in Mitteleuropa gewesen. Analog zur Wirtschaftslage und zu den anstehenden Entscheidungen in der Schuldenkrise erwartet man bei Raiffeisen auch an den Märkten ein angespanntes erstes Halbjahr mit Potenzial zur Erholung in der zweiten Jahreshälfte. Wie es genau gekommen ist, werden wir in einem Jahr wissen. (rom, derStandard.at, 11.1.2012)