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Peter Kondor: Zur Finanzhilfe gibt es keine Alternative.

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Die Europäische Union drängt Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zu Reformen. Sonst könnten EU und Internationaler Währungsfonds (IWF) die notwendige Finanzhilfe für Österreichs Nachbarland einfrieren. Der ungarische Ökonom Peter Kondor ortet im Gespräch mit Stephan Wabl in Ungarn aber in erster Linie ein politisches und kein wirtschaftliches Problem. Sollte dieses nicht gelöst werden, stünde auch Österreichs AAA-Rating in Frage.

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derStandard.at: Ungarn steht vor der Pleite. Handelt es sich dabei um eine Krise der Wirtschaft oder der Politik?

Peter Kondor: Ungarn steckt in erster Linie in einer Vertrauenskrise. Die Politik steuert seit eineinhalb Jahren auf ein autoritäres Regime zu, das verunsichert die Märkte. Die wirtschaftlichen Daten Ungarns sind nicht weit vom europäischen Durchschnitt entfernt, aber die Regierung unterminiert demokratische und marktwirtschaftliche Grundsätze. Das schreckt Investoren ab, und die Märkte haben kein Vertrauen in die Reformkraft der Politik. Ganz im Gegenteil.

derStandard.at: Würde Ungarn heute als Teil der Eurozone besser dastehen?

Kondor: Das glaube ich nicht. Zuerst muss man festhalten, dass Ungarn und Griechenland nicht vergleichbar sind. Im Unterschied zu Ungarn zahlt in Griechenland kaum jemand Steuern. Das Fiskalproblem ist in Ungarn nicht so ein dramatischer Faktor. Wir haben eine normal funktionierende osteuropäische Wirtschaft. Zudem kann Ungarn den Forint abwerten und damit seine Außenwirtschaft ankurbeln. Auf der anderen Seite steht Slowenien besser da als Ungarn, und das liegt großteils daran, dass Slowenien Teil der Eurozone ist. Prinzipiell hätte der Euro viele Vorteile für Ungarn, steckt man aber in Schwierigkeiten, ist es besser, seine eigene Währung zu haben.

derStandard.at: Rund die Hälfte der ungarischen Staatsschulden sowie viele private Kredite laufen aber in Devisen. Die Abwertung des Forint erhöht daher auch die Schulden.

Kondor: Ja, das ist richtig. Aber in der aktuellen Situation ist es besser, über die Währungsabwertung der Wirtschaft mehr Spielraum zu geben und dafür den Schuldenzuwachs hinzunehmen. Es gibt in dieser Frage keine Lösung ohne Schattenseiten.

derStandard.at: Sollte Ungarn tatsächlich pleitegehen, verliert Österreich sein AAA-Rating?

Kondor: Die Möglichkeit besteht. Es gibt auf alle Fälle Anlass zur Beunruhigung für Österreich und seine Banken. Viele Ungarn haben Hypotheken bei österreichischen Kreditinstituten. Verschlechtert sich der Wechselkurs weiter, wird eine Rückzahlung immer schwerer und die Banken würden Geld verlieren. Dann hätte auch der österreichische Staat ein Problem.

derStandard.at: Ungarn braucht einen Kredit von EU und Währungsfonds. Bei Zahlungsausfall wären vor allem die drei Hauptinvestoren - Deutschland, Italien und Österreich - betroffen. Gibt es daher überhaupt eine Alternative zur Finanzhilfe?

Kondor: Zur Finanzhilfe gibt es keine Alternative. Aber es darf kein Geld fließen, ohne von der Regierung Reformen in Richtung Wiederherstellung der Marktwirtshaft zu verlangen. Allen voran muss die Unabhängigkeit der Nationalbank gewahrt werden. Die Konditionen müssen von der EU klargestellt werden. Alle Beteiligten würden davon profitieren, Ungarn genauso wie die EU. Ungarn hat ein Führungsproblem und erst in zweiter Linie ein Wirtschaftsproblem.

derStandard.at: Welche wirtschaftlichen Reformen sind neben dem politischen Wendekurs notwendig?

Kondor: Natürlich gibt es auch in Ungarn Steuersünder. Da muss noch einiges getan werden. Die Korruption ist ein weiteres Problem, ganz wesentlich ist auch die Steigerung der Produktivität. Aber all das ist zweitrangig im Vergleich zur politischen Krise. Aber ich gehe davon aus, dass Regierungschef Viktor Orbán einlenken wird. (Stephan Wabl, derStandard.at, 11.1.2012)