Wien/Budapest/Brüssel - Vor Ende der Woche werden die formalen Bedingungen erwartet, unter denen das finanzklamme Ungarn einen neuen rettenden Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten soll. Das verlautete aus informierten Kreisen am Mittwoch. Eine Verhandlungsdelegation aus Budapest war am Sitz des Fonds in Washington, auch am Donnerstag sollte weiterverhandelt werden. Ungarn ist kurz vor den finalen Gesprächen über Notkredite des IWF wegen seiner Schuldenpolitik weiter unter Druck geraten. Die EU-Kommission schlug vor, das Defizitverfahren gegen das osteuropäische Land zu verschärfen. Aus Österreich beobachten Banken und Notenbanker die Entwicklung im Nachbarland mit Argusaugen.

Die Regierung in Budapest habe es versäumt, rechtzeitig eine Korrektur des "exzessiven Defizits" in Angriff zu nehmen. Laut EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn könnte die EU ab 2013 Mittel aus dem Kohäsionsfonds auf Eis legen, sollte das Land nicht umsteuern. Ein solcher Entzug milliardenschwerer Fördergelder könnte Ungarn teuer zu stehen kommen.

Bis zu 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) würden Ungarn so durch die Lappen gehen, wie informell aus Brüssel verlautete.

Orban will "Fehler korrigieren"

Die ungarische Regierung hat nach der scharfen Kritik aus Brüssel wegen ihrer mangelnden Budgetdisziplin Besserung gelobt. Das Kabinett von Ministerpräsidenten Viktor Orban "bekennt sich dazu, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren", hieß es in einer Erklärung des Wirtschaftsministeriums in Budapest. "Deshalb beschreiten wir weiter den Weg der Senkung der Staatsschuld und der Begrenzung des Budgetdefizits auf einen Wert von unter drei Prozent (des BIP)", hielt die Stellungnahme fest.

Das bereits 2008 mit 20 Milliarden Euro von den internationalen Geldgebern vor der Pleite bewahrte Land hofft auf Hilfen in ähnlicher Größenordnung. Zuletzt waren die Gespräche jedoch im Streit um das neue ungarische Notenbankgesetz ins Stocken geraten. Die EU und auch die Europäische Zentralbank (EZB) sehen durch das Gesetz die Unabhängigkeit der Notenbank untergraben. Orban hatte zuletzt in dieser Frage Kompromissbereitschaft signalisiert.

Sein Land steht mit dem Rücken zur Wand, da nach der Herabstufung der Bonität Ungarns auf Schrottniveau eine Kapitalflucht eingesetzt hat. Bei den heimischen Geldinstituten hat die Zahl ungarischer Kunden teilweise zugenommen, bestätigten Banken einen Bericht des ORF Burgenland. Bei der Bank Burgenland habe man schon im Vorjahr beobachtet, dass es eine verstärkte Nachfrage gibt, beispielsweise bei Girokonten, Termin- und Spareinlagen. "Seit vergangener Woche ist regelrecht eine Massenflut auf uns zugekommen", schilderte Karin Giefing, stellvertretende Leiterin des Bereichs Privat- und Geschäftskunden, am Mittwoch. "Wir können hier keinen verstärkten Zustrom ungarischer Kunden zur Bank feststellen", hieß es hingegen bei der Bank Austria.

Vertrauen schwindet, Zinsen steigen

Staatsanleihen kann die ungarische Schuldenagentur nur noch zu horrend hohen Zinsen an den Mann bringen. Einem Regierungssprecher zufolge reiste Unterhändler Tamas Fellegi mit der Zusage nach Washington, dass Ungarn dieses und nächstes Jahr beim Defizit unter der Grenze von drei Prozent des BIP bleiben wird. Die EU-Kommission sieht das anders: Sie erwartet, dass der Fehlbetrag 2013 darüber liegen wird.

Ohne Einmaleffekte hätte das ungarische Defizit im vergangenen Jahr sechs Prozent betragen, bilanzierte Rehn. Einmalig habe dem Land etwa die Übertragung von privaten Pensionsfonds in den öffentlichen Bereich geholfen. "Das ist kein nachhaltiger Weg", so Rehn. Das strukturelle Defizit, bei dem Sondereffekte ausgeblendet werden, habe sich deutlich verschlechtert. Auch im laufenden Jahr könne die Drei-Prozent-Marke beim nominalen Defizit nur dank Sondereinnahmen gehalten werden.

Österreichs Großbanken, mit mehr als 30 Milliarden Euro in Ungarn (Kredite und Staatspapiere) engagiert, haben für 2011 in Ungarn hohe Abschreibungen vornehmen müssen - zum einen wegen der neuerlichen Rezession, zum anderen wegen der regierungsverfügten Konvertierung von Fremdwährungskrediten. Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny hat neuerlich Sorgen zurückgewiesen, die Banken seien wegen Ungarn in Gefahr. Die österreichischen Banken selber seien dafür kapitalmäßig entsprechend ausgestattet, allerdings sei die Lage natürlich "eine Herausforderung", räumte Nowotny im ORF-Morgenjournal ein.

Auch ortet der ungarische Ökonom Peter Kondor in seinem Land in erster Linie ein politisches und kein wirtschaftliches Problem. Sollte dieses aber nicht gelöst werden, stünde auch Österreichs AAA-Rating infrage.

Kondor will aber, ebenso wie vor ihm Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek, Ungarn nicht mit dem chronisch pleitebedrohten Griechenland vergleichen. Die Abwertung des Forint verschaffe der ungarischen Wirtschaft einen erheblichen Vorteil im Unterschied zum gebeutelten Euroland, so der ungarische Ökonom. Kondor geht davon aus, dass Orban auf die Forderungen der EU eingehen wird. Ohne Finanzhilfe drohe der Absturz. (red/APA)