Dachau - Der Angeklagte hätte das Gericht als freier Mann verlassen können - doch noch vor dem Urteil schoss er wild um sich: Offenbar weil er eine Verurteilung wegen des Vorenthaltens von 44.000 Euro an Sozialbeiträgen nicht akzeptieren wollte, hat ein 54-jähriger Transportunternehmer im Amtsgericht Dachau in Deutschland einen 31-jährigen Staatsanwalt erschossen. Der Mann konnte die Waffe ohne Kontrolle ins Gericht schmuggeln.

Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft stand der Todesschütze vor Gericht, weil er für die Angestellten seines Transportunternehmens absichtlich 44.000 Euro zu wenig an Beiträgen in die Krankenkasse und Rentenversicherung abgeführt haben soll. Unmittelbar bevor der Richter gegen 16 Uhr das Urteil von einem Jahr Haft auf Bewährung aussprechen konnte, zog der aus Dachau stammende Mann eine Pistole und schoss um sich.

Richter nicht getroffen

Zunächst soll er auf den 35-jährigen Richter gezielt haben, dieser wurde aber nicht getroffen. Danach richtete der Mann seine Pistole auf den Staatsanwalt und schoss mehrmals. Der aus München stammende Anklagevertreter wurde den Angaben zufolge dreimal im Oberkörper getroffen. Ein Notarzt brachte den Staatsanwalt noch ins Krankenhaus. Dort erlag er aber während einer Notoperation seinen schweren Verletzungen.

Weitere Menschen seien nicht verletzt worden. Zwei Zeugen, die im Gerichtssaal waren, konnten den Angreifer überwältigen. Dieser wurde noch vor Ort festgenommen, die Staatsanwaltschaft München II leitete ein Verfahren wegen Mordes ein. Der Beschuldigte soll am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden.

Waffe ohne Probleme ins Gericht geschmuggelt

Zunächst blieb unklar, woher die Waffe stammte. Nach den Worten eines Polizeisprechers ist auf den Mann keine Waffe registriert. Die Pistole konnte dieser ohne weiteres ins Gericht schmuggeln. Wie ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums sagte, ist der Mann wahrscheinlich vor der Verhandlung nicht kontrolliert worden.

Der Ministeriumssprecher sagte, im Amtsgericht Dachau gebe es anders als in großen bayerischen Gerichten keine wie an Flughäfen übliche Durchleuchtung von Menschen, die das Gebäude betreten. In dem Gericht, wo sich die Bluttat ereignete, sei eine Kamera installiert, ein Wachtmeister habe Dienst gehabt. In dem Gebäude werde nur nach Anordnung im Einzelfall schärfer kontrolliert.

Tödliche Schüsse bereits 2009

Es ist nicht das erste Mal, dass es in einem bayerischen Gericht zu Schüssen kommt. Im Jahr 2009 erschoss in einem Erbstreit ein Mann seine Schwägerin und nahm sich danach selbst das Leben. Danach ordnete Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ein Sicherheitskonzept an, das zu verbesserten Kontrollen in den Gerichten führen soll. Wie der Sprecher Merks sagte, wird dieses Konzept weiterhin nach und nach umgesetzt. Allerdings werde es zuerst an größeren Gerichten umgesetzt - das kleine Amtsgericht Dachau sei noch nicht an der Reihe gewesen.

Am 16. Dezember 2009 ist in Österreich eine 42-jährige Rechtspflegerin am Bezirksgerichts Hollabrunn von einem 57-Jährigen durch einen Kopfschuss getötet worden. Sie musste offenbar sterben, weil sie den Mann hatte beruhigen wollen. Der Bewaffnete war mit der Absicht ins Gerichtsgebäude gekommen, die in seinem abgeschlossenen Scheidungsverfahren zuständige Richterin aufzusuchen. (APA)