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Das Wrack des Flugzeugs von Präsident Juvenal Habyarimana in Kigali.

Foto: AP/Boujou

Von welchem Hügel aus wurde das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana am 6. April 1994 abgeschossen? Für die 800.000 Opfer des folgenden Völkermordes kommt die Frage zu spät. Wichtig ist sie aber für das Verständnis des schlimmsten Massakers seit dem Holocaust, das der Abschuss auslöste.

Die französischen Untersuchungsrichter Marc Trévidic und Nathalie Poux sind der Frage knapp zwei Jahre lang nachgegangen. Am Dienstagabend legten sie eine bahnbrechend neue Erkenntnis vor: Die Rakete, die den Falcon-Jet nicht weit vom Flughafen Kigali vom Himmel holte und den Genozid an der Tutsi-Minderheit auslöste, stammte nicht von der Masaka-Erhebung, wo sich Tutsi-Rebellen hielten, sondern vom Kanombe-Hügel, der in der Hand der Hutus war.

Eine frühere, ebenfalls französische Untersuchung behauptete im Gegenteil, die anglophonen Tutsi-Milizen hätten den Hutu-Präsidenten Habyarimana ermordet und damit das folgende Abschlachten selber verursacht. Das widerlegt die neue Studie.

Ob hinter dem Anschlag mafiöse Elemente aus der Präsidentengarde oder andere Hutu-Fanatiker stammten, lassen Trévidic und Poux offen. Viel wichtiger ist die Schlussfolgerung, dass der Genozid wahrscheinlich von langer Hand geplant worden war.

Die neue Studie wirft auch neue Fragen zur französischen Verwicklung in den Völkermord auf. Insbesondere erscheint die Präsenz des französischen Gendarmen Paul Barril auf dem Flugplatz Kigali vor dem ominösen Abschuss plötzlich in einem anderen Licht. Denn Barril stand wie die französischen Truppen insgesamt den Hutus nahe. Er hatte bei der Ausbildung von Hutu-Milizen geholfen. Der frühere Bericht wirkte hauptsächlich als kaum verhüllter Versuch, die französische Unterstützung für die Hutu-Truppen herunterzuspielen. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)