Pro Stern dürfte es in der Milchstraße (mit ihren 100 Milliarden Sternen) 1,6 Begleiter in der habitablen Zone geben.

Illustration: ESO/Kornmesser

London/Wien - Die Wahrscheinlichkeit sinkt und sinkt, dass die Erde ein gar so besonderer Platz im Universum ist. Denn wenn die Beobachtungen und Berechnungen eines internationalen Astronomenteams (in "Nature", Bd. 481, S. 167) stimmen, dann dürfte es allein in der Milchstraße - eine von rund 50 Milliarden von der Erde aus beobachtbaren Galaxien - mehr als 100 Milliarden Planeten geben, die innerhalb der "bewohnbaren Zone" rund um ihre Sonne kreisen.

Um vorweg einem Missverständnis vorzubeugen: "Bewohnbar" bedeutet nicht, dass es sich um einen Himmelskörper handelt, der für Menschen geeignete Lebensbedingungen aufweist. Die Astrobiologie meint mit "habitabel", dass sich der entsprechende Planet in einem bestimmten Abstand zu seiner Sonne befindet, der es theoretisch möglich macht, dass dort Leben entsteht.

Wie aber kamen die Astronomen zu ihrer gewagt klingenden Schätzung, da bisher doch gerade erst einmal knapp 1.000 Planeten außerhalb unseres Sonnensystems "offiziell" entdeckt wurden, von den die meisten ziemlich groß und gar nicht erdähnlich sind? Die Antwort lautet: mittels Mikrolinseneffekts, einem Phänomen, das man zum Aufspüren von kleinen und sonnenfernen Exoplaneten nützen kann.


Uffe Graae Jorgensen, Astrophysiker vom Niels Bohr Institut an der Universität von Kopenhagen erläutert im Interview die aktuelle Studie über Exoplaneten.

Die meisten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems wurden entweder aufgrund von minimalen Veränderungen der Radialgeschwindigkeit oder der Helligkeit der Sterne gefunden ("Transit-Methode"), die vor allem auf große und sonnennahe Begleiter schließen lassen. Mit sogenannten Gravitations- oder Mikrolinsen kann man hingegen auch kleinere Planeten mit größerer Umlaufbahn entdecken - was dem Astronomenteam in sechs Jahren relativ oft gelang.

Benötigt wird für das von Albert Einstein theoretisch beschriebene "Microlensing" ein weit entfernter Stern als Lichtquelle. Zieht davor ein anderer Stern vorüber, wird durch dessen Gravitation das Licht des Quellsterns gebeugt, was zur Helligkeitssteigerung führt. Der vorbeiziehende Stern wirkt quasi als Linse. Wird er freilich von Planeten begleitet, dann hinterlassen die ihre Spuren in der sogenannten photometrischen Kurve, was auf Masse und Umlaufbahn der Planeten schließen lässt.

Die Astronomen rechnen aus 500 solcher Beobachtungen hoch, dass auf jeden der rund 100 Milliarden Sterne in der Milchstraße im Schnitt 1,6 Begleiter kommen, 17 Prozent hätten die Masse des Jupiters. Etwa jeder zweite Stern habe Neptun-ähnliche Planeten und rund 62 Prozent "Super-Erden" mit der fünf- bis zehnfachen Masse der Erde. Zudem gebe es in der Milchstraße rund doppelt so viele herrenlose Planeten wie Sterne. (tasch, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2012)