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Der Ursprung des im Netz aufgetauchten Videos ist unklar.

Foto: Reuters

Kabul/Washington - Nach der mutmaßlichen Schändung getöteter Taliban-Kämpfer durch US-Soldaten sind nach Angaben des US-Senders CNN zwei der vier Marine-Infanteristen identifiziert worden. Wie CNN in der Nacht auf Freitag berichtete, erklärte dies ein Sprecher der Marine-Infanterie. Die Namen der beiden wurden nicht genannt, da es sich um laufende Ermittlungen handle. Dem Sender zufolge soll es sich um Soldaten vom Stützpunkt Camp Lejeune in North Carolina handeln, die zwischen Februar und Oktober 2011 vorwiegend in der afghanischen Provinz Helmand stationiert gewesen seien.

Karzai: "Tat zutiefst unmenschlich"

Der afghanische Präsident Hamid Karzai forderte die USA dazu auf, die Täter so schwer wie möglich zu bestrafen. "Diese Tat amerikanischer Soldaten ist zutiefst unmenschlich", hieß es in einer Mitteilung Karzais. Erst im vergangenen März hatten amerikanische Soldaten in Afghanistan mit Leichen ihrer Opfer für Fotos posiert.

Ein Vertreter des afghanischen Hohen Friedensrates erklärte, wegen derartiger Aufnahmen könnten die Taliban leicht junge Menschen für sich gewinnen. "Solche Taten haben einen sehr, sehr schlechten Einfluss auf die Friedensbemühungen", sagte Arsala Rahmani.

US-Verteidigungsminister kündigt Untersuchung an

US-Verteidigungsminister Leon Panetta verurteilte die im Film gezeigte Leichenschändung auf das Schärfste. "Dieses Verhalten ist für Angehörige des US-Militärs absolut unangemessen und spiegelt nicht den Standard oder die Werte, für die unsere Streitkräfte eintreten", sagte Panetta nach einem Bericht der "New York Times". Die Beteiligten würden dafür "im vollen Ausmaß" zur Verantwortung gezogen. Panatta wies eine umfassende Untersuchung des Vorfalls an.

Ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bezeichnete das Video als "abscheulich". "Es hat mir den Magen umgedreht", wurde Pentagon-Sprecher John Kirby vom Nachrichtensender CNN und anderen US-Medien zitiert. "Egal, wer das in dem Video ist oder wie die Umstände waren - dieses Verhalten ist ungeheuerlich und ekelhaft."

Echtheit ungeklärt

Die Herkunft und Echtheit des im Internet verbreiteten Amateurvideos seien bisher noch ungeklärt, teilte das Pentagon mit. Derartige Taten stünden jedoch nicht im Einklang mit den Werten der Marineinfanterie. "Diese Angelegenheit wird vollständig aufgeklärt."

Auch die NATO-geführte Truppe ISAF verurteilte die mutmaßliche Schändung getöteter Taliban-Kämpfer. "Diese respektlose Tat ist unerklärlich und nicht in Übereinstimmung mit den hohen moralischen Maßstäben, die wir von Koalitionstruppen erwarten", teilte die Internationale Schutztruppe Isaf am Donnerstag mit. Die in dem Video gezeigten Taten "scheinen von einer kleinen Gruppe amerikanischer Individuen ausgeführt worden zu sein, die anscheinend nicht mehr in Afghanistan dienen".

Das nur 39 Sekunden lange Video ist seit Mittwoch im Umlauf. Auf ihm sind vier mutmaßliche Marineinfanteristen in Kampfanzügen zu sehen, die über den Körpern von drei Männern lachend ihre Notdurft verrichten. Die geschändeten Leichen tragen für Afghanistan landestypische Kleidung. Eine Video-Unterschrift beschreibt die Urinierenden als US-Scharfschützen und die Toten als Taliban. Einer der Männer sagt "Schönen Tag noch, Kumpel", während er sich offenbar darüber im Klaren ist, gefilmt zu werden.

Taliban-Sprecher: "Brutale Tat der Invasoren"

Die Taliban reagierten empört. "Das ist eine unmenschliche, unmoralische und brutale Tat der Invasoren", sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid der Nachrichtenagentur dpa in Kabul. Der Vorfall werde dazu beitragen, "dass die Amerikaner und ihre Alliierten ein kurzes Leben in Afghanistan haben". Seit zehn Jahren würden die ausländischen Truppen solche Straftaten im Land verüben. In einer an Medien verschickten SMS eines weiteren Taliban-Sprechers namens Kari Jussif Ahmadi war von "amerikanischer Brutalität" die Rede. Weiter hieß es, keine Religion könne ein solches Verhalten hinnehmen.

Hingegen erklärte ein ungenannter Sprecher der Taliban gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es handle sich bei dem Video nicht um einen "politischen Vorgang". Die Aufnahmen würden daher auch nicht die Gespräche mit den USA oder den geplanten Gefangenenaustausch beeinflussen.

Taliban-Sprecher Mujahid sagte der dpa, das Video werde keine Auswirkungen auf die Pläne der Taliban haben, ein Büro im Golf-Emirat Katar zu eröffnen. Er betonte aber erneut, die Eröffnung des Büros bedeute nicht, dass es Friedensverhandlungen gebe. Die Taliban zeigten sich bereit für Gespräche mit der Internationalen Gemeinschaft über eine politische Lösung des Konflikts. Zugleich betonten sie aber, sie würden ihren "Heiligen Krieg" gegen die ausländischen Truppen fortsetzen.

In einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung der Aufständischen hieß es, die Taliban hätten zwar ihre "politischen Bemühungen" verstärkt. Das bedeute aber weder eine Abkehr vom "Jihad" noch eine Anerkennung der "Handlanger-Regierung" in Kabul. Die Taliban hatten in der vergangenen Woche mitgeteilt, die Aufständischen seien mit dem Golf-Emirat Katar darin übereingekommen, dort ein Büro zu eröffnen. Ziel sei ein "Dialog mit der Internationalen Gemeinschaft". Der afghanische Präsident Karzai unterstützt die Eröffnung eines solchen Taliban-Büros.

Hürden vor Gesprächen

Die NATO will ihren Kampfeinsatz in Afghanistan 2014 beenden. Die afghanische Regierung und westliche Staaten bemühen sich seit einiger Zeit um Verhandlungen mit den Aufständischen. Ein Durchbruch ist bisher ausgeblieben. Selbst nach Eröffnung eines Taliban-Büros in Katar wären auf dem Weg zu möglichen Friedensgesprächen noch zahlreiche Hürden zu meistern.

Die US-Streitkräfte sind bereits wegen einer Reihe von Vorfällen bei der afghanischen Bevölkerung in Misskredit geraten. So kam es in den vergangenen Jahren zu Bombenangriffen auf Hochzeitsgesellschaften, bei denen zahlreiche Zivilisten getötet wurden. Zudem gibt es Ermittlungen gegen Soldaten, die in der Provinz Kandahar unbewaffnete Afghanen umgebracht haben sollen. Darüber hinaus wurden auch in Afghanistan die Bilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib mit Entsetzen wahrgenommen: Auf den Fotos waren Misshandlungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten zu sehen. (APA/Reuters)