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Ruttenstorfer behält weiße Weste: Der Ex-OMV-Chef kurz vor der Verhandlung am Donnerstag im Wiener Justizpalast.

Foto: APA/Fohringer

Wien - Der frühere OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer behält seine weiße Weste. Am Donnerstag ist er auch in zweiter Instanz am Oberlandesgericht (OLG) Wien vom Verdacht des Missbrauchs einer Insiderinformation freigesprochen worden. Die Nichtigkeits- und Schuldberufung der Staatsanwaltschaft wurde vom Dreier-Richtersenat zurückgewiesen. Der Freispruch ist rechtskräftig. Dem Ex-OMV-Chef wurde vorgeworfen, trotz einer Insiderinformation einen Aktiendeal eine Woche vor dem überraschenden OMV-Ausstieg beim ungarischen Konkurrenten MOL Ende März 2009 getätigt zu haben. Auch der Berufungssenat sah zwar das Vorliegen einer Insiderinformation, verneinte aber eine Vorsatzhandlung sowie eine Bereicherungsabsicht.

Ruttenstorfer zeigte sich nach dem Freispruch erleichtert, weil damit seine Aussagen bestätigt worden seien. Er habe immer richtig gehandelt, sagte er vor zahlreichen Medienvertretern im Justizpalast. Dass eine Insiderinformation vorgelegen sei - wie dies beide Gerichte festgestellt haben -, könne er nicht nachvollziehen, er müsse dies aber akzeptieren. Auf die Frage, ob er heute wieder so handeln würde wie im März 2009, meinte der Ex-OMV-Chef: "Im Rückblick ist man immer gescheiter." Auch die OMV, die Ruttenstorfer bis Ende März 2011 geführt hatte, begrüßte den Freispruch: Damit bestätige das Gericht abermals, dass "stets korrekt gehandelt" worden sei.

Auch aus Sicht des OLG Wien war der inkriminierte Kauf von OMV-Aktien durch Ruttenstorfer im Frühjahr 2009 lediglich durch das damals fixierte Vergütungsprogramm für die damaligen OMV-Vorstände motiviert. Bei diesem Long Term Incentive Program (LTI) müssen die Aktien drei Jahre behalten werden, kurzfristige Kurssprünge spielen daher auf lange Sicht kaum eine Rolle.

Director's Dealings

Der Verteidiger des Ex-OMV-Chefs, Peter Lewisch, betonte am Donnerstag erneut, dass der Kaufentschluss bereits im Februar 2009 gefällt worden sei, lediglich das Ausmaß der Investition - ein Bruttojahresgehalt - wurde erst an diesem 23. März 2009 festgelegt. Unmittelbar nach der damaligen Festlegung durch den Vergütungsausschuss gab Ruttenstorfer die Kauforder für sein Eigeninvestment in Höhe von 632.000 Euro, meldete den Deal der Finanzmarktaufsicht (FMA) und ließ das auch auf der OMV-Homepage unter "Director's Dealings" veröffentlichen.

Eine Woche danach trennte sich die OMV überraschend von ihrem 21,2-prozentigen MOL-Anteil. Sie verkaufte das Aktienpaket mitten in der Wirtschaftskrise an den der russische Ölkonzern Surgutneftegaz zu einem erstaunlich hohen Preis um 1,4 Mrd. Euro. Kurz zuvor hatte Ruttenstorfer in einem "profil"-Interview noch erklärt, dass die OMV ihren MOL-Anteil durchaus noch bis Ende 2009 behalten werde.

Die Vorsitzende des Dreier-Senats, Marina Stöger-Hildbrand, führte in der Urteilsbegründung aus, dass es - nach kaufmännischem Ermessen - keinen Zweifel daran gegeben haben könne, dass es zum Abschluss des Deals mit Surgutneftegaz kommen würde. Zu den damaligen Verkaufsvorbereitungen, in die etwa auch JP Morgan eingebunden war, habe Ruttenstorfer über hinreichend detaillierte Informationen verfügt. Auch sei damals intern ja bereits eine Presseaussendung vorbereitet worden, die das Datum 30. März getragen habe. Ruttenstorfer sei zwar "Primärinsider" im Sinne des Börsegesetzes gewesen, von einer vorsätzlichen oder auch nur fahrlässigen Verwendung dieser Informationen könne aber keine Rede sein, so die Richterin. "Der Freispruch ist nicht zu beanstanden", resümierte sie. 

FMA fordert Gesetzesänderung

Die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA), die die Causa Ruttenstorfer vor Gericht gebracht hatte, forderte nach dem Freispruch für den Ex-OMV-Chef eine rasche Anpassung der österreichischen Rechtsanlage zum Thema "Marktmissbrauch" an das EU-Recht. Derzeit sei diese EU-Richtlinie wegen einer unzulänglichen Umsetzung in Österreich nämlich "totes Recht", denn um den Fahrlässigkeitsbestand zu erfüllen, müsste im Vorfeld nach der Argumentation des Oberlandesgerichts Wien ein Vorsatz vorliegen, kritisierte FMA-Sprecher Klaus Grubelnik gegenüber der APA: "Wir müssen schauen, dass das Recht anwendbar bleibt."

Nach Ansicht der OLG-Richterin widerspräche eine reine "Vermutung" einer missbräuchlichen Verwendung einer Insiderinformation wie in der EU-Richtlinie vorgesehen, nicht nur dem Börsegesetz, sondern auch fundamentalen Rechtsgrundsätzen im österreichischen Strafrecht, deponierte sie am Donnerstag in der mündlichen Urteilsbegründung.

Den von der Anklagebehörde in der Berufung zum Ersturteil vermuteten Fahrlässigkeitstatbestand verneinte Richterin Marina Stöger-Hildbrand und meinte: "Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft zu § 48 b Abs. 3 Börsegesetz basieren auf einer falschen Rechtsauslegung, weil ein Vorsatz gefehlt hat."

Zu dem zu beurteilenden Tatbestand sei die Beweiswürdigung in erster Instanz aus Sicht des Berufungssenats ausreichend gewesen, sodass insgesamt der "Freispruch nicht mehr zu beanstanden" sei.

Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof

Noch im Laufen ist rund um den OMV-Aktiendeal eine Beschwerde von Ex-Generaldirektor Wolfgang Ruttenstorfer beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gegen eine 20.000-Euro-Strafe der FMA wegen Marktmanipulation, die im Jänner 2011 durch eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS) rechtskräftig geworden ist.

Dabei ging es um die Frage, ob Ruttenstorfer mit seiner Aussage in einem "profil"-Interview, die OMV werde ihren damaligen Anteil an der ungarischen MOL in dem Jahr "durchaus behalten", "dem Börsepublikum falsche Signale gegeben" und sich eines Gesetzesverstoßes schuldig gemacht habe. Das Interview erschien nämlich just an dem 23. März 2009 - dem Tag des Eigeninvestments und eine Woche vor dem Abschluss des MOL-Anteils-Verkaufs an Surgutneftegaz. Der damalige OMV-Chef habe damit eine "falsche Aussage im Hinblick auf das Anlegerverhalten" getätigt und so eine Marktmanipulation gemäß § 48a Z. 2 lit. c Börsegesetz begangen. Das Verfahren beim VwGH ist noch im Laufen, bestätigten Ruttenstorfer und sein Anwalt.

Im Strafantrag des Staatsanwalts war der Vermögensvorteil Ruttenstorfers mit 44.750,50 Euro beziffert worden. Die am 23. März 2009 vom damaligen OMV-Chef zum Kurs von 23,84 Euro erworbenen 26.500 Aktien hatten ihn insgesamt knapp 631.760 Euro gekostet. Heute, Donnerstag, lagen die Titel zu Mittag kaum höher bei 24,42 Euro und waren damit 647.130 Euro wert - ein Zuwachs von 15.370 Euro oder rund 2,4 Prozent in fast drei Jahren. (APA)